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Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 10.08.2018
von TvTanja
Manchmal und besonders wenn ich morgens ausschlafen kann, habe ich irgendwelche Träume, die sich während des Aufwachens allmählich mit bewussten Gedanken vermischen.
Oft denke ich dann über mich, meine Beziehung, meine Situation, meine Wünsche, meine Träume nach. Und ich finde es sehr traurig, dass ich mit niemandem mehr darüber reden kann.
Ich lebe schon sehr lange in einer Beziehung. Am Anfang habe ich wirklich über ALLES geredet. Ich war der Überzeugung dass eine Beziehung in der es Geheimnisse gibt, oder zumindest geben MUSS, keinen großen Wert hat. Ich hab' ihr auch schon beim ersten Treffen erzählt, dass ich ab und zu gerne mal Mädchenkleidung trage.
Das ist schon sehr lange her. Obwohl sie mir damals gesagt hat, dass sie damit kein Prolem hätte, ist über die Jahre aus der Befürchtung vielleicht doch nicht so akzeptiert zu werden wie ich bin, allmählich eine Gewissheit geworden.
Ich wollte immer experiementieren, etwas über mich selbst herausfinden und mich selbst besser verstehen. Ich ging wohl davon aus, dass das anderen Menschen genauso geht und man das zusammen machen könnte. Meine Vorstellung war die einer spannenden Reise. Aber wenn überhaupt, dann reisen wir wohl in unterschiedliche Richtungen....
Ich glaube ich bin in Wirklichkeit eher ängstlich. Vor allem im Umgang mit anderen Menschen. Aber ich bin auch ein guter Schauspieler. Ich habe gelernt ein normales Leben zu führen und vernünftig mit anderen Menschen umzugehen. Das ist ok und funktioniert halbwegs erfolgreich und ich will es auch so. Trotzdem fühlt es sich manchmal nicht wirklich echt an.
Manche Menschen und vor allem Männer scheinen sehr selbstbewusst. In Kontaktanzeigen werden Männer gesucht mit einer starken Schulter zum anlehnen, die wissen wo's lang geht, die Entscheidungen treffen und Sicherheit bieten. Wahrscheinlich ist es das was meine Frau auch will.
Manchmal akzeptiere ich wenigstens für mich selbst, dass ich im Grunde meiner Seele anders empfinde, manchmal gelingt mir nichtmal das. Jedenfalls reden wir schon lange nichtmehr über solche Sachen.
Meine Seele ist immer noch die eines ängstlichen kleinen Jungen (oder eben vielleicht auch Mädchens), das eine Beschützerin sucht. Ich träume davon in den Arm genommen zu werden, zu kuscheln mit jemand der mich tröstet wenn ich weinen muss weil mir grade alles zu viel wird, davon mit meinem Teddy zu spielen, hübsche Kleidchen zu tragen, mich im Spiegel zu bewundern und von einer lieben Frau die mich dafür lobt. Ich träume auch davon mit dieser Frau meine Erotik und Sexualität zu entdecken, ohne Zwänge und Normen an die man sich halten muss und sicher nicht so wie erwachsene normalerweise Sex miteinander haben.
Stattdessen werde ich jetzt aufstehen, mich anziehen, mich fragen wer der alte Mann im Spiegel eigentlich ist und meine Pflichten erfüllen. Manchmal wünsche ich mir insgeheim auch einfach morgens mal nicht mehr aufzuwachen.

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 11.08.2018
von JohannesderTaeufer
Hallo Tanja,

Deine Beschreibung deines Gefühlslebens liest sich sehr interessant. Vor allem erkenne ich mal wieder, dass jeder einzelne Mensch die selben Bedürfnisse zu haben scheint: man will sich geborgen fühlen. Und wir alle haben die Angst, abgelehnt zu werden wenn wir nur ein mal unser wahres Ich zeigen. Das stimmt aber nicht.

Du hast das Glück, in einer festen, langen Partnerschaft zu leben. Du kannst dir also sicher sein, dass sie nicht nur aus Bequemlichkeit bei dir ist. Du könntest den Spieß also auch umdrehen: was wäre wenn sie dir offenbaren würde, dass sie während des Aktes sehr gerne einmal von dir angekotet werden würde? Würdest du sie deshalb verlassen? Nein, natürlich nicht. Auch wenn es dir eventuell mit jeder Faser deines Seins widerstrebt, das zu tun. Dennoch würdest du versuchen, ihren Wunsch irgendwie wert zu schätzen. Und wer weiß, ob du es mit einiger Zeit an Vorlauf und Gewöhnung an diese Vorstellung nicht sogar tun könntest? Mehr noch: vielleicht würde es dir sogar wirklich gefallen, da du bei ihr eine ganz besondere Lust dabei spüren könntest, auch wenn der Akt selbst für dich nichts positives ist.
Warum also so derart quälen? Sie wird dich nicht verlassen. Und falls sie damit sehr große Schwierigkeiten hat, dann nur weil sie sich
a) noch nie groß mit Sexualitäten außerhalb der Norm beschäftigt hat und deshalb ihre anfängliche Ablehnung eigentlich nur Überforderung ist, oder
b) sie einfach nur sehr überrascht ist, dass du nie etwas gesagt hast und nun Angst hat, dass es bei euch ein ernsthaftes Problem gibt, dass eure Beziehung gefährden könnte. Da ist es nur menschlich erstmal die Schotten dicht zu machen, bevor man sich damit auseinander setzt.
So oder so: du möchtest doch nicht irgendwann die Erkenntnis haben müssen, dass du viele Jahre ohne etwas gelebt hast, was du schon vorher hättest haben können.
Ich weiß, dass es sehr einfach für mich ist, jetzt zu behaupten, dass du einfach nur über deinen Schatten springen müsstest. Aber vielleicht ist da etwas dran? Natürlich ist das nicht einfach, aber es gibt auch super tolle professionelle Hilfe bei soetwas. Ich sage nicht, dass du eine Therapie machen solltest. Aber ein Therapeut kann außerordentlich hilfreich sein, Schritte vorzubereiten, Reaktionen ihrerseits zu analysieren und einzuordnen und schließlich auch als neutraler und professioneller Ansprechpartner für deine Partnerin zur Verfügung stehen.

Es ist also alles gar nicht so lebensbedrohlich wie es für dich gerade scheint. Und du scheinst ja auch in anderen Bereichen zu Ängsten zu neigen. Vielleicht kann diese Situation ja auch sehr hilfreich sein, um dich auch in anderen Bereichen weiter zu entwickeln.

Natürlich verstehe ich aber auch deine Situation. Deine Reaktion ist sehr menschlich. Schließlich ist man nirgendwo so verletzlich wie in der eigenen Beziehung. Andererseits ist man aber auch nirgendwo so sicher! Ich bin deshalb fest davon überzeugt, dass du diese Situation komplett zu deinen Gunsten auflösen kannst!

Und noch eine Kleinigkeit: Frauen sagen es zwar nicht, finden es aber auch total toll von Zeit zu Zeit ihren Kerl zu bemuttern und ihn als mega emotional zu erleben. :)

Viel Erfolg!!

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 11.08.2018
von Luci
Huhu,
in jeder Beziehung ist Kommunikation das Wichtigste. Ich hab so bei dem was du beschrieben hast das Gefühl, dass das einfach im Laufe der Jahre (?) eingeschlafen ist. Ich finde es gut, dass du ihr von Anfang an gesagt hast, dass du Frauenklamotten magst. Wenn sie von Anfang an sagte, dass sie per se kein Problem damit hat, wie seid ihr denn dann dieses ganze Thema angegangen? Hast du dich ihr in Frauenklamotten gezeigt? Ihr gesagt, dass du auch das Bedürfnis hast dich anzulehnen und dich bemuttern zu lassen? Oder wie genau seid ihr da vorgegangen?

Ich denke nämlich, dass man einen Partner der nichts damit zu tun hat, erstmal behutsam an so ein Thema heranführen muss, viel erklären und zeigen muss, damit er / sie es begreifen und akzeptieren kann.

LG von Luci

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 11.08.2018
von TvTanja
Hallo,

vielen Dank für eure Antworten.

Ganz so zuversichtlich wie Johannes bin ich leider nicht, aber man wird sehen...

Also, ich bin mir zumindest in so weit keiner Schuld bewusst, dass ich wie bereits in der ersten Nachricht geschrieben, von Anfang an versucht habe sehr offen mit allem umzugehen. Und ich würde behaupten, dass es auch bis heute nichts gibt, was meine Frau nicht prinzipiell weiß.

Ich wollte meine Fantasien schon immer gerne ein Stück weit ausleben, was sie auch nie grundsätzlich abgelehnt hat. Aber irgendwas war immer. Zu viel Arbeit, Termine, dann morgen und wenn doch dann meistens dabei eingeschlafen, weil zu müde oder oder... Und das ist ja alles so neu und man muss sich erst daran gewöhnen und und....
Inzwischen haben wir selber Kinder, was eigentlich eher ein Unfall war, aber der Raum für mein alter ego wird immer kleiner, weil ich meistens nichtmal alleine noch die Möglichkeit habe das irgendwie auszuleben.
Und meine Frau steht wohl inzwischen eher auf dem Standpunkt, dass ich jetzt langsam mit dem Quatsch aufhören könnte in meinem Alter.

Wenn ich es recht betrachte, war meine Haupttätigkeit in den letzten 20 Jahren auf irgendwas zu warten und am Schluss bekommt man die Zunge rausgestreckt. Ich fühl mich eigentlich gerade etwas verarscht.

Inzwischen würde ich jederzeit mit jemand anderem versuchen meine Fantasien auszuleben und ich hätte nichtmal mehr ein schlechtes Gewissen dabei. Aber das ist eher theoretisch, denn ich denke in meinem Alter ist der Zug langsam abgefahren und nette Partnerinnen fallen nicht vom Himmel. Ich will auch für meine Kinder da sein und sie nicht mit meinen Vorlieben belästigen. Außerdem haben meine Fantasien sehr viel mit Vertrauen zu tun und ich könnte mich nie mal eben so schnell auf irgendwelche Spiele mit jemandem einlassen. Ich glaube das würde bei mir sehr lange brauchen.

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 12.08.2018
von cvetoslava
Inzwischen würde ich jederzeit mit jemand anderem versuchen meine Fantasien auszuleben und ich hätte nichtmal mehr ein schlechtes Gewissen dabei. Aber das ist eher theoretisch, denn ich denke in meinem Alter ist der Zug langsam abgefahren und nette Partnerinnen fallen nicht vom Himmel. Ich will auch für meine Kinder da sein und sie nicht mit meinen Vorlieben belästigen. Außerdem haben meine Fantasien sehr viel mit Vertrauen zu tun und ich könnte mich nie mal eben so schnell auf irgendwelche Spiele mit jemandem einlassen. Ich glaube das würde bei mir sehr lange brauchen.
Hallo TVTanja,

das Tragen von Windeln und Mädchenkleidung ist kein Dauerfetisch oder Dauererotik, die man möglichst einzudämen hat. Es soll sogar ältere Frauen geben, wo die Kinder aus dem Haus sind, die tilweise selber inkontienent sid und so etwas mögen. Nur findet man die nicht an jeder Straßenecke.

LG Cveta

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 12.08.2018
von TvTanja
Naja, ich weiß ja eh nicht, ob ich da nicht auch hier manchmal das Thema etwas verfehle.
Weil Windeln interessieren mich eigentlich nicht mehr :-). Als little bin ich mindestens 10 :-).
Aber das ist ja eigentlich völlig egal. Fetisch, Erotik, Sex alles hin oder her.
Was mich grade nur so aufregt ist, dass ich mit allem von Anfang an offen umgegangen
bin und irgendwie 20 Jahre mit Warten verplempert habe und am Schluss dann doch
nichts ist. Naja, wahrscheinlich eigene Blödheit.

Re: Aus dem Zusammenhang

Verfasst: 13.08.2018
von Rubie_Maus
Hallu Tanja,

Ich würde dir auch einen Therapeuten ans Herz legen.

Das sind nämlich eigentlich ganz nette Menschen, die dich zu nichts zwingen.
Naja außer vielleicht ein bisschen Selbsterkenntnis.

Da du dich im Profil selber Trannie bezeichnest, scheint mir das Transidentität vielleicht wirklich nicht so weit entfernt ist.

Da wäre eine professionelle und neutrale Stelle garnicht so verkehrt.


Grundsätzlich liest es sich aber so, dass du sehr oft deine Bedürfnisse hinten an gestellt hast und der Wunsch das nicht mehr zu tun ist mehr als verständlich.

Versuchs mit offener Kommunikation und scheue dich nicht, eben nicht der perfekte „Mann“ zu sein.

Du kannst nur sein wer du bist und das ist vollkommen in Ordnung. Sogar schön

LG
Rubie