Vielen Dank für das Video, ein paar Assoziationen und spontane Gedanken dazu.
Es ist keine Fehlwahrnehmung, dass CG/LG in den letzten Jahren deutlich sichtbarer geworden ist (verstanden hier als eine explizit nicht sexuelle Variante). Die alte Frage, ob es das früher auch gab -- lassen wir das.
Konzentrieren wir uns auf das Interessante (Zitat nach:
https://www.stern.de/neon/herz/liebe-se ... 93026.html): "Rollenspiele haben für mich nie funktioniert. ´ Ich wusste nicht, dass es den Littlespace gibt". Später führt er aus, dass ihn das Emotionale interessiert. "Das hat sonst immer etwas vorgespieltes." Ageplay ist hier so etwas wie Musik, Stimmungen, ein Besuch in einem guten Club. *Immersiv* soll es sein, nicht bloß gespielt. Es geht um das Eintauchen in eine bewusst geschaffene Atmosphäre, um eine Beziehung, die nicht in den Beziehungspartnern aufgeht, sondern als solche eine eigene Qualität hat, die beiden Leute da eben reinzieht; Ageplay, das ist nicht das, was die Partner machen, das ist die Beziehung. Und sie wirkt magnentisch: Das Kamerateam wird eingebaut, weil es nur innerhalb dieser Beziehung einen Sinn ergibt, dass sie da sind. Soweit so gut.
"Es ist kein Fetisch, sondern etwas emotionales", sagt der Gesprächspartner.
Was ist das für eine Trennung? Ist Sexualität nicht emotional? Das Knistern der Windel nicht auch -- jetzt nicht als bloßer Erregungsmoment: spannend? Ich verstehe, dass es den Wunsch gibt den angenommen Blick zu belehren und zu sagen: Bitte nicht missverstehen, es geht hier nicht bloß um ein Ding. Aber zwei Punkte dazu: 1/ Dem Fetischisten geht es auch nie um ein Ding, *weil das Ding eben randvoll mit Bedeutung aufgeladen ist*. 2/ Mich ärgern schon einige Aussagen der Daddyperson. Ihm sei wichtig, "dass es nicht als schmutzig wahrgenommen wird" oder "pervers". Lassen wir ihm mal seine Selbstzuschreibung (auch wenn ich auch daran so einiges zu deuten hätte, aber das wären letztlich Unterstellungen) außen vor. Warum kann er diese Position nicht ohne diese Abgrenzung vornehmen? Was ist bitte "schmutzig" an Sexualität? Mich ärgert das schon deshalb, weil so eine Aussage an einer gesellschaftlichen Erzählung partizipiert, die letztlich sagt: "Alles normal, ist nichts sexuelles, nur eine Vielfalt der Beziehungen." Was, wenn es sexuell wäre? Dann wäre es "schmutzig"? Das ist so eine erkaufte Anerkennung um den Preis der Abwertung der Anderen (die im Übrigen für die Littleperson so auch nicht stimmt, sondern nur für ihn, als wäre es unvereinbar, das Sexuelle und Emotionale zusammenzudenken). "Ich bin polymorph-pervers und habe dazu noch Lust an Unlust/Lust-Spannungszuständen", wäre doch eine viel bessere Aussage als dieses schrebergärtnerische "Das ist schmutzig!".
Was ich noch interessant fand: (auch etwas in Anlehnung an deinen, Thias, Beitrag) Little spricht davon, dass sie am Anfang auf so "komische Videos" von Männern, die Baby gespielt hätten, "gestoßen ist und das dann ganz schnell zugemacht hat." Kann ich verstehen, denke ich da sofort. Es gibt ja wirklich viele Videos die irritieren, vielleicht meinte sie solche, auf denen das "ich bin little" weniger verspielt als ziemlich derb aufgeführt führt; wer weiß. Aber sie stößt hier noch auf einen anderen Punkt. Es gibt DD/LG, CG/LG: Was es (kaum/nicht) gibt, ist CG/LB. Warum ist das so? Nehmen wir mal an, das hat einen Grund, nur um zu schauen, wie weit das führt: Offensichtlich sind dann die Beziehungspartner nicht einfach jeweils geschlechtlich kodiert (so wie in den Ausdrücken "Hetero/Homo"), sondern die Beziehungsdynamik selbst. Das little ist (immer/normalerweise) eine Frau, die zum Mädchen wird. Wohl eines der häufigsten Motive in den Darstellungen sind Prinzessinnen. Als Mann, der vor solchen Darstellungen steht und sich da reindenken kann, aber feststellt, dass er sich da als Mann bloß fehl am Platze fühlt -- so, wie die Reaktion Littles auf die eingangs erwähnten Videos, ärgert mich das wiederum. Lassen wir mal die These wegefallen, dass es irgendetwas hardkodiertes darin gibt, das auf diese dermaßen vergeschlechtlichte Dimension angewiesen ist. Es gibt auch Darstellungen von Typen, die weniger brachial vorgehen, spielerischer; aber vielleicht liegt eine Schwierigkeit (die ich als Mann bedenke und nicht aus irgendeinem jedes Machtverhältnis ignoriendem männerrechtlichen Interesse) darin, dass es für Männer eben 1/ schwieriger ist, sich einer Beziehung aufgehoben zu fühlen, in dem Sinn, dass dort für Männer häufiger ein Kontrollwunsch existiert, 2/ zumindest in meinem Bekanntenkreis für viele Frauen* die Reise zu einer für sie als angenehm erfahrbaren Sexualität ziemlich lang war/ist, wohingegen Männern unterstellt wird, dass sie schon wissen, was sie wollen; das bringt eine Art Spielkompetenz oder vielleicht weniger neologistisch: Erfahrungsoffenheit, mit. 3/ Frauen* eher zugestanden wird, sich überhaupt mit Infantilem auseinanderzusetzen, sie, vermeintlich "natürlich", der Sphäre des Kindlichen näher stehen als Männer, deren (hegemoniale) Geschlechtsidentität stark in Abgrenzung gerade zum Kindlichen verstanden wird: "sei nicht so kindisch", die in ihrem Zum-Mann-Werden häufig Erfahrungen machen, dafür gescholten oder anders gesellschaftlich sanktioniert worden zu sein, irgendwie zu infantil zu sein, 4/ als Nebenaspekt von (3), der aber wichtig genug ist, einen eigenen Ordnungspunkt darzustellen: Auch wenn es nichts mit Pädophilie zu tun hat, wenn Erwachsene sich im Spiel infantil begegnen, bleibt doch das Problem, dass ihnen ständig unterstellt wird, Interesse an Kindlichem könne doch nur pädophil motiviert sein; konkret: das flaue Gefühl, wenn man auf einer Parkbank sitzt und plötzlich Kinder auf dem zuvor verwaisten Spielplatz gegenüber unterwegs sind und die, meistens: Mütter, einen dann schräg anschauen, kennen wohl die meisten Typen, irgendwann steht man dann eben auf und es ist vergessen, ich will diesen Moment nicht überhöhen, aber es ist doch eine Irritation, die da bleibt. Ich wünschte ja, jemand würde mal 1/ so etwas wie "queering ageplay" schreiben oder noch besser, 2/ das ganze aus einer Perspektive kritischer Männlichkeit betrachten (meine These wäre ja, dass es das auch für mich als Mann eine lustvoll besetzbare LG-äquivalente Position gibt, aber interessant wäre eben gerade die Explizierung dessen, was dem entgegensteht). Leider gibt es da aber nichts (für Hinweise wäre ich dankbar, gerade im US-Raum müsste es da was geben, denke ich immer und finde dann doch nichts).
Ich fände das auch deshalb interessant, weil es ja schon aus einer Art feministischen Perspektive irgendwie schräg ist, dass hier im CG/LG-Spiel sehr stark mit dem "das Feminine ist kindlich, schwach, auf männliche Anleitung angewiesen" gespielt wird -- ich meine das hier noch gar nicht als Wertung, sondern erst als Beschreibung, gerade daher wäre mal eine queertheoretische Untersuchung dieser Beziehungsdynamik (oder besser: deren kultureller Ausdrücke) spannend.
(Zumindest das, was ich sonst so mitbekomme, lässt das, was ich oben implizit behaupte, in meinen Augen plausibel erscheinen: Dass das im Video eine gute Darstellung einer tatsächlich so oder so ähnlich verbreiteten Beziehungsdynamik ist, dass das also "CG/LG" sicher nicht umfassend erschöpft, aber einen guten Eindruck davon gibt)