Ich würde da ein vorsichtiges Jein zu schreiben – der Grund dafür ist, dass du explizit nach dem Zusammenhang mit dem „Little-sein“ gefragt hattest und das kann ich verneinen. Es ist nicht so, dass ich mich einsam fühle, weil ich Emotionen im Alltag unzureichend ausleben oder keine Nähe zulassen könnte –
obwohl ich ein sehr kontrollierter Mensch bin.
Trotzdem kann ich nicht behaupten, dass mir das Gefühl der Einsamkeit bzw. Zurückweisung fremd wäre – ich mache das aber eher am Vertrauen und insbesondere an Unverbindlichkeit fest. Erst gestern war ich eigentlich mit drei langjährigen Freunden für die Extraschicht im Ruhrgebiet verabredet (eine große Eventveranstaltung) und obwohl das schon seit Wochen geplant war (und ich Tickets besorgt hatte), sind alle drei noch kurzfristig abgesprungen – der Letzte fünf Stunden vorher, denn er wolle doch lieber mit Kumpels das WM-Viertelfinale schauen, aber das Geld für das Ticket würde ich natürlich erstattet bekommen. Finanziell haben mir alle Leute das Ticket ersetzt, aber allein macht natürlich so eine Veranstaltung viel weniger Spaß und so kurzfristig konnte ich dann auch keinen Ersatz mehr finden.
Das Gleiche vor drei Jahren, als ich meinen 30. Geburtstag gefeiert habe – da habe ich ein Ferienhaus im Sauerland gemietet und meine besten Freunde aus Schule, Studium und vom Sport eingeladen. Obwohl die Einladung vier Monate vorher rausging und ich eigentlich eine Rückmeldefrist gesetzt hatte, wusste ich trotz Erinnerungen bis eine Woche vorher nicht, ob ich mit drei Leuten oder mit 14 Gästen rechnen darf. Zwei Mädels haben dann noch am Vorabend zugesagt, als ich ihre Betten längst an Nachrücker vergeben hatte und sind dann einfach spontan mit Luftmatratze und Schlafsack vorbei gekommen.
Da mich das damals extrem gestört hatte, hatte ich das dann beim Abendessen doch mal angesprochen und dabei bemerkt, dass das Verhalten keinesfalls böse gemeint war, aber dass das niemand sonst als gravierendes Problem empfunden hat. Offenbar bin ich also doch sehr sensibel, was Spontanität, Planbarkeit und auch Perfektionismus angeht: Ich wollte da das perfekte Wochenende mit generalstabsmäßiger Planung organisieren und die anderen wollten lieber spontan schauen, wonach ihnen der Sinn steht und waren durchaus bereit, dafür auch großzügig über organisatorische Unzulänglichkeiten hinwegzusehen oder zu improvisieren.
Rückblickend ist es dann noch ein echt wunderbares Wochenende geworden und ich komme mit den Leuten auch weiterhin gut klar – von gezielter Zurückweisung also keine Spur. Bei manchen Freunden, bei denen das extrem ist, habe ich den Punkt Unzuverlässigkeit/Spontanität einfach als „Macke“ akzeptiert, die durch andere Dinge wett gemacht wird.
Mir ist allerdings klar, dass eigentlich nicht meine Freunde, sondern ich die „Macke“ habe und da zu sensibel mit einem deutlichen Hang zum Neurotizismus drauf reagiere. Deswegen ist der Hauptkompensationsmechanismus dieser Gefühlsmischung aus Melancholie, Einsamkeit und Selbstwertzweifeln ein klassisch kindlicher: Mein Lieblingskuscheltier ganz fest an mich drücken und mir vorstellen, er sei lebendig und würde mir als perfekter Freund zur Seite stehen.
Ich habe aber mittlerweile eingesehen, dass es absolut keinen Sinn macht, einer Person ein Fehlverhalten in irgendeiner Form nachzutragen – man macht nur sich selbst unglücklich damit. Das heißt nicht, dass man es nicht ansprechen oder sein Missfallen darüber nicht äußern dürfte, aber das klassische, beleidigte Schmollen habe ich mir „verboten“. Ich habe zwar oft das Bedürfnis genau das zu tun, aber als sehr kontrollierter Mensch kann ich mich auch aktiv dagegen entscheiden und das hat sich rückblickend immer als die bessere Verhaltensweise erwiesen. Entweder ich konnte mit offener Ansprache eine Einsicht und Verhaltensänderung bewirken oder hab mir durch großzügiges Hinwegsehen zumindest selbst viel schlechte Laune erspart. Dennoch: Wenn mal jemand wieder zu unverbindlich ist, dann entfremdet mich das von dieser Person zumindest kurzfristig mehr als alles andere.
Wenn ich jemand mein Wort gebe, dann fühle ich mich da dran gebunden und versuche wirklich alles, um meine gegebenen Zusagen auch einzuhalten. Manchmal ist es mir schon passiert, dass die Leute selbst schon vergessen hatten, dass ich es Ihnen etwas versprochen hatte. Dann war die Überraschung auf beiden Seiten groß, als ich ein Versprechen eingelöst habe, das ihnen gar nicht mehr bewusst war. Aber das ist ein anderes Thema...