Agedreaming: Bewußt sein zwischen den Welten

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Agedreaming: Bewußt sein zwischen den Welten

von Tintin » 28.09.2021

Die Szenebegriffe werden immer weiter differenziert und betiteln immer präzieser, worum es sich im einzelnen dreht. Seit gut einem Jahr verbreitet sich von Großbritannien aus der Begriff "Agedreaming", der zwischen Ageplay und Ageregression zielt. Der Begriff soll das Spiel in einer am Wunschalter orientierten, erträumten Welt benennen, in der der Träumer bewußt handelt und/oder phantasiert.

Autonepiophilia, Psychosexual Imfamtilism und Paraphilic Infantilism sind die Fachbegriffe, mit denen die Psychologie unsere Welt benennt. Übersetzt bedeuten sie "Freude daran, sich als unmündiger Mensch zu fühlen" und "Krankheit des seelischen und/oder sexuellen Verharren in der Kindheit" und "Krankheit des Verharrens in der Kimdheit als unübliche Neigung".
Das sind schon sperrige Begriffe, weshalb sich die sich herausbildende Gemeinschaft lieber etwas griffiger "Adult Babys" und im Falle der eher objektorientiert Empfindenden, ganz pragmatisch "Diaperlover" nannte und sich hinter dem Akronym ABDL sammelte.
Jedoch fühlten sich viele durch diese Begrifflichkeit eher schlecht repräsentiert, fühlten sie sich doch nicht als Babys, sondern anderen Altersstufen angehörig. Jede Altersgruppe (er)fand ein eigenes Buchstabenkürzel oder Kurzbegriff. Aus der BDSM-Szene heraus entwickelt wurden die auf Macht- und Abhängigkeit fokussierten und Altersunterschied betonenden Spielarten DDLG Daddy Dominus/Little Girl - mit allen denkbaren weiteren Geschlechterkombinationen) oder als Caregiver/Little. Manche benennen diese Spielarten oberbegrifflich schon als Ageplay, andere sehen die Entstehung des Begriffes Ageplay unabhängig von Machtgefällen, orientiert an einem nicht realen Alter.

Allgemein wird Ageplay gerne den Kinks (also ungewöhnlichen sexuellen Praktiken und Neigungen) zugeordnet, womit diejenigen sich nicht repräsentiert fühlen, die das Ageplay nicht als sexuell stimulierend empfimden. Beiden gruppen gemeinsam ist, daß sie sich bewußt in das Spiel begeben und willensorientiert handeln.

Ein(e) Ageregressor ("Alterszurückentwickler" - gemeint ist nicht die psychologische Technik) empfindet, denkt und handelt einem Kind entsprechend, ohne dies bewußt zu beeinflussen und ohne adulte sexuelle Empfindungen zu haben.

Zwischen den beidenPolen Ageplay (voluntatives Spiel) und Ageregresson (nicht voluntativ beeinflußtes (naives) Denken und Handeln gepaart mit der Umgebungswahrnehmung aus der Perspektive eines Kindes heraus) etabliert sich der Begriff Agedreaming.

Wie eingangs erwähnt, soll der Begriff das Spiel in einer am Wunschalter orientierten, erträumten Welt beschreiben, in der der Träumer bewußt handelt. Derzeit vorherrschende Meinung ist, daß Agedraming ohne sexuelle Motivation geschehe.
Das bewußtes agieren möglich ist, unterscheidet das Agedreaming vom Tagtraum, dessen Handlung und Verlauf vom Träumer nicht gesteuert werden kann. Während der Ageregressor auf allen Wahrnehmungen, Urteilen und Handlungen denen einem Kind entspricht, bewegt sich der Agedreamer, wahlweise gedanklich oder physisch, durch eine imaginäre Traumwelt, die er sich selbst in seinen Gedanken bewußt ausgestaltet. Ein bewußtes Sein zwischen den Polen und Wahrnehmungswelten.

So könnte sich also jemand, der ich klein aber nicht kinky fühlt und in eine beschützte Traumwelt hineinträumt, sich als "Agedreamer" beschreiben, ohne sich durch den Begriff "Little" irrtümlich in die.Nähe von Macht- und Erziehungsspielen zu rücken.
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Re: Agedreaming: Bewußt sein zwischen den Welten

von Chichibi » 29.09.2021

Danke für den schönen Beitrag :3

Ich möchte noch etwas ergänzen:

Das Wort Ageplay hat sich in den letzten Jahren durchaus auch gewandelt. Gerade auch Außenstehende sehen darin zunehmend ein Rollenspiel, das meist sexuell motiviert ist. Der Fokus liegt hier auf der gespielten Rolle.

DDLG wird zunehmend fetischisiert und immer mehr zum Synonym von Daddykink - dem (rein) sexuellen Ausleben mit starkem BDSM-Bezug, oft in Verbindung mit Bestrafung, Inzest-Play und Rape-Play.

Davon abgrenzen wollen sich diejenigen, die das Littlesein als einen hoch emotionalen Zustand empfinden, indem sie einfach sie selbst sind.

AgeRegressor wollen sich schützen, weil eine Sexualisierung ihrer kleinen Seite für sie sehr abstoßend und teilweise aufgrund von Traumata auch triggered ist.

AgeDreamer sind sehr nah am AgeRegression. Ihre kindliche Seite steht aber für sie nicht in Zusammenhang mit einem Trauma. Der Little Space ist kein Bewältigungsmechanismus.

ICH sehe darin keinen Unterschied zu non-sexuellen Formen von Ageplay, DDLG und CGL. Denn diese „Spielarten“ bzw. Lebensformen können genauso Ausdruck des tiefsten Selbst sein. Auch in diesen Formen sind manche Littles traumatisiert und „regressen“. Auch hier passiert der Little Space manchmal nicht ganz freiwillig. Und vor allem ist der Little Space nicht automatisch sexuell.


Eine große Anzahl an Begriffen kann hilfreich sein, um seine eigene persönliche kleine Ecke im riesigen, vielfältigen Little-Kosmos zu finden.

Aber ich möchte ausdrücklich davor warnen, diese Begriffe als etwas wirklich Unterschiedliches zu sehen. Man muss sich nicht in genau eine dieser Schubladen stecken. Oft sind es mehrere Begriffe, die auf einen zutreffen. Die einzelnen Schubladen werden zu klein, als dass da noch ein ganzer Mensch rein passt. Und dann fangen andere Leute an, einem vorzuschreiben, in welche Schublade man soll - in die man aber auch nicht passt.

Übrigens gibt es inzwischen auch den Begriff „noncom Little“. Das ist ein weiteres Label, das aber eigentlich eine Gegenbewegung darstellt. Das sind Littles, die den Überblick über die vielen Begriffe verloren haben. Littles, die sich nicht in eine Schublade pressen wollen. Die einem eigentlich gewünschten Label nicht ausreichend entsprechend. Die eigentlich gerne mehrere Labels für sich nutzen wollen, dafür aber regelrecht angegriffen werden. Oder die es leid sind, dass sie keinen der vorherrschenden Klischees entsprechen.

Deswegen noch eine persönlich motivierter Aufruf am Ende:
Das Kleinsein ist so wundervoll und am Ende lebt es jeder ganz individuell, auf seine ganz persönliche Weise aus. Lasst uns die Begriffe dazu nutzen, die Vielfalt aufzuzeigen. Und nicht dazu, uns selbst einzuengen. 🌸
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Re: Agedreaming: Bewußt sein zwischen den Welten

von Swan » 29.09.2021

Deswegen noch eine persönlich motivierter Aufruf am Ende:
Das Kleinsein ist so wundervoll und am Ende lebt es jeder ganz individuell, auf seine ganz persönliche Weise aus. Lasst uns die Begriffe dazu nutzen, die Vielfalt aufzuzeigen. Und nicht dazu, uns selbst einzuengen. 🌸
Super informativ Eure beiden Beiträge, vielen Dank! Ich habe Dein Zitat, Chichibi, noch einmal rausgepickt, weil auch ich dies als absolut essentielle Haltung für das Auffinden und Ausleben der eigenen, ganz individuellen Bedürfnisse am Klein- und Großsein verstehe. Und wenn wir mit diesen Begriffen und der Diskussion darüber die Vielfalt aufzeigen, sollten wir immer auch die Challenge annehmen, Toleranz, Akzeptanz und Respekt für andere Bedürfnisse, Wünsche, Praktiken mitzubringen - vor allem dann, wenn sie uns selbst genau nicht zusagen. Dann wird Diversity zu einem gelebten Kosmos, den die involvierten Menschen auch tatsächlich spüren können.
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Re: Agedreaming: Bewußt sein zwischen den Welten

von baerschen » 29.09.2021

Die einzelnen Schubladen werden zu klein, als dass da noch ein ganzer Mensch rein passt.

Lasst uns die Begriffe dazu nutzen, die Vielfalt aufzuzeigen. Und nicht dazu, uns selbst einzuengen. 🌸
Die beiden Sätze merk ich mir. Das trifft es beides so genau!…

Lg Micha
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