Mein Kumpel Richie "macht Kunst". Er verbindet Kunststoff-Folien mittels eines Hochfrequenz-Schweißgerätes zu Skulpturen, die man aufpustet. Richie kennt die Inflatable-Fetischszene gut und hat mir von den beiden geradezu unvereinbaren Gruppen erzählt: Die einen haben aufblasbare Tiere oder was auch immer ganz schrecklich lieb. Emotional und auch körperlich. Für die anderen gibt es nichts schöneres, als in ein Zimmer voller Luftballons zu kommen - und eine Nadel dabei zu haben. "Popper" und "Non-Popper". Unvereinbare Pole.
Das Spannungsfeld der Ageplay-Szene ist wesentlich komplexer, weil es wesentlich mehr Faktoren gibt - ideell und materiell. Exemplarisch erwähne ich die Antipoden D/S-Dynamik versus Befreiung von Zwängen oder Pflichten, Verbalität versus Nonverbalität, White Ageplay versus Dark Ageplay, pro und kontra Windeln, sexualisiertes Empfinden versus asexuelles Empfinden. Und wenn das nicht schon schwierig genug wäre, so kennt der Mensch einen Erregungsreflex, ausgelöst durch ein Gefühl von Geborgenheit, das den eigentlich Ageplay als nicht sexuell verstehenden Menschen, völlig aus der Bahn werfen kann. Man könnte sagen, dies schlage ebenso heftig ein, wie die Komfrantation mit einem Vertreter der "anderen Seite" in der Kommunikation und, schlimmer noch, in einer Spielsituation, bei der man sich schon in seinem "Space" befindet und dieser beschädigt zu werden droht.
Zwei Konklusionen drängen sich förmlich auf: Es ist ungemein schwierig, ein kompatibles Gegenüber zu fünden und der Umgang miteinander erfordert Umsicht und viel Rücksichtnahme aufeinander. Und eben viel mehr, als beispielsweise das "Real Life" erfordern würde.
Ich meine die aktuelle Misere der Szene zu einem guten Teil in den aktuellen Kommunikationskultur auszumachen, die mit forcierter elektronischer Einzelkommunikation auf individuelle Zusammentreffen drängt und somit - wie ich finde viel zu viele - neue Leute erschreckt, verschreckt und damit verhindert, Teil einer Szene zu werden, die ich als hilfsbereit, warmherzig und freundlich erlebt habe.
Schlüssel dazu waren einerseits Stammtische, deren Organisatoren als Eisbrecher und Kommunikatoren fungierten sowie hieraus abgeleitete Ausflüge, einfach um sich plappernd kennenlernen und vielleicht sogar mögen zu können. Das hat seinerzeit sogar beim regionalen Trekdinner (also Treffen von Star-Trek-Fans) geklappt. Und da gab es Elaurianer, Vulkanier und Klingonen.
Daß die Kontaktarmut durch Covid und deren Nachgang die Lage noch weiter verschlimmert hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Und gerade deshalb formuliere ich meine ganz persönliche Bitten: Liebe Leute, geht zu Stammtischen hin und verabredet Euch in Gruppen und Grüppchen zu gemeinsamen Ausflügen, Eiscafe- oder Freizeitparkbesuchen oder ähnlichem, ohne mit offenkundigem Hardcore-Szenekram den Rest der Gruppe eventuell zu überfordern.
Es gibt die reale Chance, der Szene wieder Leben einzuhauchen. Und davon würden wir alle profitieren. Nur Mut