Oh je, das wird mich jetzt wieder Zeit kosten, aber diese Intoleranz triggert mich zu sehr, als dass ich es einfach stehen lassen könnte ...
[...] weil sich 80% davon für mich so anfühlt wie eine Aufforderung, eine toxische Beziehung einzugehen.
Kontaktanzeigen fordern niemanden zu etwas auf, sondern jemand bekundet, wer er/sie ist, und welche Art von Partner(in) er/sie als passende Ergänzung zu sich ansieht. Von denen, die nicht von dieser Art sind, wird nicht gefordert, sich zu ändern und dann zu melden, sondern die sind einfach nicht angesprochen.
Und warum D/S-Beziehungen toxisch sein sollten, darfst du gerne mal verargumentieren. Mir ist keine Studie bekannt, dernach D/S-Beziehungen toxischer sind als Vanilla-Beziehungen. Wie toxisch eine Beziehung ist, hängt nämlich nicht von ihrer Art ab, sondern von den Menschen, die sie ausleben. Offensichtlich hast du dich in das Thema BDSM nicht eingelesen bzw. dich mit Praktizierenden nicht ausgetauscht, ansonsten hättest du nicht den Irrglauben, die submissive Person (Sub) würde von der dominierenden (Dom) unterdrückt werden. Ich verstehe, dass das auf einige Vanillas (Nicht-BDSM-Praktizierende), die von BDSM keine Ahnung haben, auf den ersten Blick so wirken kann, weil sie von Vanillabeziehungen gewohnt sind, dass eine Person, die gegenüber seinem/ihrem Partner(in) "nichts zu melden" hat, von diesem/dieser unterdrückt wird, was ja in der Natur der Sache liegt, weil Vanillabeziehungen vom Konzept her auf Augenhöhe zwischen den Partnern ausgelegt sind, d. h., wenn jemand seine(n) Partner(in) dominiert, hat er/sie diese Augenhöhe offenbar einseitig(!) aufgekündigt, ohne Konsens, denn wenn es Konsens wäre, wäre es ja eine D/S-Beziehung, keine Vanilla-Beziehung. "Konsens" ist hier das Zauberwort, das du dir vor Augen führen musst. In einer D/S-Beziehung wollen beide(!) Partner das Machtgefälle, auch die submissive Person! Was du verstehen musst, ist, dass es Subi nicht schlecht dadurch geht, dass sie dominiert wird, sondern es macht sie glücklich, und ihr Dom würde sie unglücklich(!) damit machen, wenn er aufhören würde, sie zu dominieren, und ihr sagen würde, sie solle doch lieber selbst die Entscheidungen treffen. Sie würde ihn früher oder später verlassen und sich einen anderen Dom suchen, der ihr die Entscheidungen wieder abnimmt, weil sie(!) es so will. Kurz: Subs werden nicht unterdrückt, sie bekommen, was sie wollen.
Genauso falsch ist deine Sicht auf die Doms. Sie profitieren von einer D/S-Beziehung nicht mehr als ihre Subs, Daddy-Doms sogar oft weniger, weil sie damit beschäftigt sind, für ihr Little alles zu organisieren und zu managen, auf sie aufzupassen, ihr zu helfen und auf viele andere Arten für sie da zu sein und für sie irgendetwas zu tun. Und was mach Little derweil? Sie malt in einem Malbuch. Ist wesentlich entspannter, meinst du nicht? In einigen DDlg-Beziehungen nutzt Little Daddy regelrecht aus, während der Anschein besteht, er wäre ihr gegenüber dominant. Sowas nennt sich dann topping from the buttom.
Die Daddy Doms schreiben in teils blumigen, teils unverblümten Worten darüber, wie sie das Leben ihres Littles "formen" oder "leiten" (sprich: kontrollieren) möchten, und nicht wenige Littles wirken, als ob sie das richtige Leben überfordern würde und sie ihr Heil in der Aufgabe ihres Selbst sehen würden.
Es gibt nun mal Menschen, die von den hohen Anforderungen, die das Leben/die Gesellschaft an sie stellt, überfordert sind. Ja und? Du meinst, die müssen die Zähne zusammenbeißen und das ertragen, anstatt sich jemanden zu suchen, der ihnen Entscheidungen und Verantwortung abnimmt und sie damit entlastet und glücklicher macht?
Wieso das dann die "Aufgabe ihres Selbst" sein soll, erschließt sich mir auch nicht. Überfordert zu sein und sich helfen zu lassen, IST doch Teil ihres Selbst.
Kaum eine der Kontaktanzeigen erwähnt ein Leben außerhalb der DDlg-Dynamik, die meisten tun so, als wäre ein 24/7-Leben als Daddy Dom und Little die Erfüllung.
Für viele IST 24/7 erfüllend, weil z. b. für mich Daddy-Sein kein Rollenspiel, sondern mein Naturell ist, das natürlich dauerhaft ausgelebt werden will. Was ist dein Problem damit? Außerdem kannst du nicht erwarten, dass jemand in seiner Kontaktanzeige sämtliche seiner Lebensbereiche/Interessen ausbreitet. Obwohl ich mich in meiner allein auf die Daddy-Little-Dynamik beschränkt habe, ist sie schon sehr lang geworden (so wie dieser Post
). Hätte ich auch noch über die anderen Aspekte meines Lebens geschrieben, wäre die Anzeige so lang geworden, dass ich sie bei einem Verlag hätte einreichen und als Buch veröffentlichen lassen können. Auf km geht es nun mal um Littles/Middles/Daddys/Momys/AB/DL etc., also liegt in den Kontaktanzeigen auch darauf der Fokus. In einem Geek-Forum steht in den Kontaktanzeigen hingegen, welche Computerspiele und Animes man gut findet. So what?
Das ist eine Ansicht, die mit völlig fremd ist und die ich für potenziell sehr gefährlich halte.
Na, wenn sie DIR fremd ist, dann muss sie ja schlecht sein ... Erläuter uns die Gefahren doch mal.
Es ist nichts weiter als eine toxische männliche Machtfantasie, zu glauben, man könnte eine glückliche Beziehung finden, indem man ein:e schwache:n Partner:in nach seinen eigenen Vorstellungen formt, und es ist ein Fehlglaube, sein wahres Selbst in der Aufgabe des Selbst zu finden.
Erstens: Es gibt auch weibliche Doms und männliche Subs. Deine Geschlechterklischees zeugen nicht gerade von moderner Aufgeklärtheit. Willkommen im 21. Jahrhundert.
Zweitens: Aha, es ist also ein Fehlglaube, so so, dann schicke ich die vielen Subs, die in ihrer D/S-Beziehung ihr "wahres Selbst" gefunden haben und sehr erfüllt und glücklich sind, mal zu dir, damit du sie darüber aufklären kannst, dass sie das ganz falsch sehen und besser nach deinen Vorstellungen leben sollten ...
Diese Art von Machtgefälle kann auch weg, sollte sogar weg.
Vor allem dieser Satz ist es, warum mich dein Post so triggert. Die Einstellung, was einem selber nicht passt, muss allen anderen Menschen verboten werden, kennt man aus dem Faschissmus. Meinst du, auch queere Partnerschaften sollten weg? Oder "rassenunreine"?
Was nie weg kommen soll und wohl auch nie weg kommen wird, ist unser Bedürfnis, intime Momente gemeinsam mit anderen zu erleben.
Ach, und in DDlg-Beziehungen gibt es diese gemeinsamen intimen Momente nicht? Hmm, dann muss ich das wohl geträumt haben. Danke fürs Aufwecken.
[...] aber eine funktionierende Beziehung benötigt zwei selbstständige Persönlichkeiten, von denen keine von der anderen abhängig ist
Das ist so formuliert nicht pauschal richtig, es kommt auf die Art der Abhängigkeit an: Abhängigkeit in dem Sinne, dass ein Partner, z. B. aufgrund finanzieller Nöte, mit dem anderen zusammen bleiben muss, obwohl er das gar nicht will, kann natürlich nicht Grundlage einer funktionierenden Beziehung sein. Die D/S- bzw. DDlg-Dynamik, die du hier kritisierst, ist aber eine ganz andere Art von Abhängigkeit. Sub/Little ist nicht mit (Daddy-)Dom zusammen, weil sie das muss, sondern weil sie es WILL. Die "Abhängigkeit" (wenn man es überhaupt so formulieren möchte) ist eine gewollte(!), weil sie als angenehm empfunden wird. Little fühlt sich wohl damit, dass Daddy sie umsorgt und behütet und ihr abnimmt, sich selbst um alles kümmern zu müssen. Sie fühlt sich auch wohl damit, dass Daddy ihr Regeln aufstellt, an die sie sich zu halten hat, weil ihr das Struktur, Orientierung und Halt gibt (kannst du vielleicht nicht nachvollziehen, ist aber trotzdem so). Es gefällt ihr auch, bestraft zu werden, wenn sie sich nicht an diese Regeln hält, denn ohne Ahndung wären die Regeln nichts wert, weil sie dann nicht (konsequent) eingehalten würden. Und ja, auch übers Knie gelegt zu werden und einen auf den Popo zu bekommen, macht Little glücklich. Auch das mag dir ein Rätsel sein, wie man das gut finden kann, aber es gibt nun mal Menschen, die es schön finden, erniedrigt und geschlagen zu werden, und das ist völlig in Ordnung, wenn es im Konsens zwischen erwachsenen, entscheidungsfähigen Menschen passiert.
Übrigens ist die "Abhängigkeit" beiderseitig! Ich als Daddy, für den das, wie gesagt, kein Rollenspiel, sondern das Ausleben meines Naturells ist, fühle mich genauso unerfüllt, wenn ich kein Little/Middle habe (ist leider gerade wieder so), wie sich manch Little unerfüllt fühlt, wenn er/sie keine(n) Daddy/Momy hat. Ich will mein Little also nicht verlieren und achte darauf, dass sie mit unserer Beziehung genauso glücklich ist wie ich, denn erstens sucht sie sich sonst einen anderen Daddy, und zweitens habe ich ein intrinsisches Bedürfnis, sie glücklich zu sehen, weil mich das dann auch glücklich macht.
Natürlich gibt es Daddys/Momys/Littles/Middles, bei denen es anders aussieht, als ich es gerade beschrieben habe, aber toxische Beziehungen gibt es bei Vanillas genauso, da das, wie gesagt, nicht von der Beziehungsdynamik, sondern von den beteiligten Menschen abhängt.
Ich weiß anhand der Kontaktanzeigen hier und anderswo, dass die Zahl der Daddy Doms, die Frauen mittels DDlg kontrollieren wollen, und die Zahl der (männlichen und weiblichen) Littles, die ihr Selbst aufgeben würden, nur um durch Kontrolle von außen ihre Überforderung mit dem Erwachsensein ein bisschen in den Griff zu bekommen, relativ hoch ist.
Erstens: Fake-Daddys, die das nur von sich behaupten, um an junge Mädels ranzukommen, die sie kontrollieren können, gibt es, da stimme ich dir ausnahmsweise mal zu, aber deswegen kannst du DDlg-Bezieheungen nicht pauschal verurteilen, denn die meisten davon sind echt und für beide Partner bereichernd.
Zweitens: Littles geben ihr Selbst nicht auf. Little zu sein, IST ihr Selbst. Es würde mich jedenfalls wundern, wenn eine relevante Anzahl von Littles sich gar nicht damit identifizieren, sondern das nur als Mittel zum Zweck machen würde.
Oh, wow, mein Post ist so lang, den liest eh keiner
Aber vielleicht ja wenigstens Oberon, das reicht mir schon.
Oberon
Durch den warmen Lehm geschnitten
zieht der Weg. Inmitten
wachsen Lolch und Bibernell.
Oberon ist ihn geritten,
heuschreckschnell.
Oberon ist längst die Sagenzeit hinabgeglitten.
Nur ein Klirren
wie von goldnen Reitgeschirren
bleibt,
wenn der Wind die Haferkörner reibt.
– Wilhelm Lehmann