Innere Zerrissenheit wegen Idealen und DDlg

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kidcat
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Innere Zerrissenheit wegen Idealen und DDlg

von kidcat » 19.11.2023

Hallo,

ich bin mir nicht sicher, ob diese Frage an diesem Ort richtig ist und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich mein Gefühlschaos richtig beschrieben bekomme. Viel hängt auch von meiner jeweiligen Konstitution ab. Mal gibt es das Thema gar nicht, mal belastend sehr stark.

Ich habe bereits in meiner Jugend begonnen BDSM zu leben und Mitte meiner 20er ist ABDL dazu gekommen. Beides habe ich nicht 24/7 gelebt und in beiden Fällen gab es kein D/s, kein Erziehungsanteil. Es ging um Spiel, Spaß und Fallen lassen, Sexualität und offene Arme. Damit bin ich mit mir immer im Reinen gewesen, hatte grundsätzlich keinen großen Gesprächsbedarf außerhalb der Beziehung und habe vor allem nicht an mir und diesem kleinen Teil meiner selbst gezweifelt.

Seit ein paar Jahren habe ich nun einen neuen Partner und in dieser Beziehung leben wir aktiv DDlg, mit einem Schwerpunkt auf D/s. Wir haben uns auf einer der bekannten Plattformen kennen gelernt, haben uns viel Zeit genommen uns gegenseitig zu erleben und kennen uns als Paar aber nur innerhalb der Dynamik. Auch hier gibt es neben D/s natürlich spielerische Anteile, Entspannung Littlespace, Sexualität, ganz normalen Alltag… Aber eben auch 24/7 Machtgefälle, Regeln, Erziehung. Mal mehr mal weniger. Je nach Zeit, Bedürfnissen und was sonst im Leben so los ist. Aber die Regeln gelten immer und es wird auch immer – egal, ob mein Daddy Lust hat, ob ich Lust habe – auf die Einhaltung geachtet und ggf. sanktioniert. Dieses Leben entspricht meinen Wünschen und Vorstellungen von Gemeinsamkeit mit diesem Mann. Der Unterschied zwischen BDSM, ABDL und DDlg ist für mich, dass tatsächlich zum Teil massiv korrigierend Einfluss auf mein ganz reales Leben genommen wird und dass der Zeitraum nicht mehr auf ein paar Stunden begrenzt ist. Und da beginnt meine Zerrissenheit.

Auf der einen Seite macht mich das, was man schon als klischeehaft DDlg beschreiben kann, sehr zufrieden und ausgeglichen, lässt mich geliebt und angekommen fühlen. Auf der anderen Seite widerspricht es allem, wie ich mir Gesellschaft und wie ich mir Umgang mit Menschen vorstelle. Mein Selbstverständnis von Gleichheit und Augenhöhe wird hier von mir selbst untergraben. Insbesondere, weil die Eingriffe in mein alltägliches Leben durchaus zum Teil recht weitreichend sind.

Dieses gefühlte Verraten meiner eigenen Ideale belastet mich. Ich lebe, was ich falsch finde. Klar, ich weiß im Kopf, das ist freiwillig und gewollt und das ist der entscheidende Unterschied zu Unterdrückung und Gewalt. Trotzdem, ich verzweifele emotional da manchmal an mir selbst, uns und unserer Beziehungsform.

Ich empfinde es als sehr schade, etwas so wertvolles und schönes wie diese bunte Beziehung mit einem Graustich leben zu müssen. Meinen Partner zu zwingen den Graustich zu ertragen und uns beide so sehr zu belasten.

Geht es jemand anderem auch so? Habt ihr Tipps? Kann mir wer einen Farbvertiefer reichen?

Vielen Dank für's Lesen. Vielleicht hat ja doch der ein oder andere einen wertvollen Impuls.

Have a break

kidcat
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Thias
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Re: Innere Zerrissenheit wegen Idealen und DDlg

von Thias » 20.11.2023

Hallo kitkat,

Vielen Dank für dein Vertrauen dich uns zu öffnen und dem tiefen Einblick in dein Leben! Ich muss über deine Situation ein bisschen nachdenken, aber spontan möchte ich schon mal einige Punkte ansprechen, die mir sofort ins Auge gefallen sind.

Dieses gefühlte Verraten meiner eigenen Ideale belastet mich. Ich lebe, was ich falsch finde. Klar, ich weiß im Kopf, das ist freiwillig und gewollt und das ist der entscheidende Unterschied zu Unterdrückung und Gewalt.

Hier steckt bereits ein hohes Maß an Rationalisierung und Rechtfertigung drin: Warum du es falsch findest (Verraten der Ideale) und dass es weniger schlimm ist als Unterdrückung und Gewalt (zumindest in ihren extremeren Formen).

Versuche mal das ganze Gedankengebäude für einen Moment außen vor und deine Gefühle und Emotionen vollkommen wertfrei zuzulassen. Da du schreibst, dass du belastet bist, also gibt es vermutlich Phasen, die sich vielleicht mit Worten wie „traurig“, „hoffnungslos“ oder „gelangweilt“ etc. beschreiben lassen. Wenn du an eine typische Woche denkst: Wie oft empfindest du dich eher so und wie oft/lange bist du im Gegensatz dazu als „geliebt“, „angekommen“, „hoffnungsfroh“, „optimistisch“ oder „glücklich“ ?

Wenn es dir nicht gelingt, das rückblickend zu sagen, dann fange an es ab jetzt aufzuschreiben. Schreib bitte einfach auf was dir spontan in den Sinn kommt, ohne es deinem Partner zu zeigen. Es geht darum, dass diese Aufzeichnungen so authentisch wie möglich sein sollen, ohne dass entweder du selbst oder dein Partner da einen „korrigierenden“ Einfluss darauf nehmen. Verzichte auch darauf, nochmal zu lesen oder gar zu verändern, was du an den Vortagen geschrieben hast. Ich empfehle dir deshalb kein klassisches Tagebuch, sondern eine Art Wahlurne: Gefühl auf den Zettel, zusammenfalten und rein damit – ein kleines Schächtelchen nur für dich.

In ein paar Wochen öffnest du das (ab besten zusammen mit einer Vertrauensperson) und wertest es aus. Worauf ich hinaus will: Wenn da häufig negative Empfindungen stehen, dann gibt es Handlungsbedarf. Punkt. Welche Handlungsoptionen dann zur Verfügung stehen und welche davon versucht werden sollten, ist dann ein anderes Thema.

Ich empfinde es als sehr schade, etwas so wertvolles und schönes wie diese bunte Beziehung mit einem Graustich leben zu müssen. Meinen Partner zu zwingen den Graustich zu ertragen und uns beide so sehr zu belasten.

Du denkst bereits wieder mehr an deinen Partner als an dich und nimmst sogar die Schuld für seine Unzufriedenheit mit auf dich! Ohne Euch und eure Dynamik zu kennen – es ist sehr selten, dass ein Sub einen Dom wirklich zu etwas zwingen kann, aber nicht unüblich, dass manche Menschen Schuldgefühle manipulativ einsetzen. Ich will nicht vorschnell urteilen, aber das wäre eine Interpretation eurer Beziehung, die ich an deiner Stelle stärker hinterfragen würde.

Abschließend möchte ich dich noch daran erinnern, dass „freiwillig und gewollt“ keine Konstanten sind. Nur weil man etwas früher mal freiwillig getan oder gewollt hat, muss man das nicht für immer weiterhin tun. Das soll keine Aufforderung zu impulsiven Spontanhandlungen sein, aber es ist gut, dass du dir Gedanken darüber machst, ob dein aktuelles Leben noch das ist, das du willst.

Danke für deine Offenheit, deinen Mut dich an das Thema heran zu wagen und alles Gute bei den nächsten Schritten!
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Re: Innere Zerrissenheit wegen Idealen und DDlg

von babydennis » 23.11.2023

Hallo Kitkat,

ich kenne das zu gut. Nur ist es bei mir ein anderer Grund. Im Erwachsen sein muss ich Verantwortung übernehmen und mich durchsetzen können.

Das Kind sein dagegen fühle ich mich ausgeglichen und sehr fröhlich. Ich gestalte meine bunte Welt, wie sie mir gefällt. Ich würde diese gerne weiter ausbauen, was aber vielleicht auch nicht geht.

Durch meine kindliche Art und junges Aussehen interessieren sich in der Regel keine Frauen in meinem Alter. Ich hätte vielleicht Erzieher werden sollen. Wenn du mit irgendetwas unglücklich bist, dann gönn dir einfach eine Pause und bespreche es mit deinem Daddy.
Jedenfalls musst du dich nicht rechtfertigen wie du dein Leben leben möchtst. Wenn du neben der kindlichen Erziehung, eben auch gefesselt werden möchtest, dann ist es eben auch okay. Dann schläft das Baby eben mit Segufix im Bettchen oder trägt Handschuhe zuhause. Ein Klaps auf dem Po schadet auch nicht (hoffentlich liest Daddy nicht mit). Oder Overall mit Reißverschluss hinten.

Man kann vieles ins Littlespace oder Ageplay einbauen. Natürlich ist es schwierig zwischen Erwachsene sein und Kind sein zu wechseln. Ich stehe an der Situation, wo ich ein Daddy kennengelernt habe, möchte ich wirklich zuhause und am Wochenende dauerhaft ein Kleinkind sein und mich Erziehen und Bevormunden lassen und auf anderer Seite normal arbeiten.

Im Gegensatz zur dir spielt BDSM und Rambazamba bei mir eher eine untergeordnete Rolle. Ein Kleinkind darf sowas nicht. Genaugenommen auch nicht mit dem Handy spielen oder vorm Computer sitzen. Die ganzen Einschränkungen und Regeln die man befolgen muss, geben mir aber das Gefühl wirklich ein Kleinkind zu sein.

Liebe Grüße
Dennis

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eedoo
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Re: Innere Zerrissenheit wegen Idealen und DDlg

von eedoo » 28.11.2023

Hallo kidcat,

Mein Eindruck von dem, was du beschreibst, ist, dass etwas in deiner Beziehung nicht im Gleichgewicht ist. Ich lese ein sehr großes Unbehagen heraus, und Versuche, dieses Unbehagen zu rationalisieren. Ich würde an deiner Stelle aber deinem Bauchgefühl vertrauen. Es ist offensichtlich, dass dir in dieser Beziehung etwas fehlt.

Wie du schreibst, nimmt dein Partner "massiv korrigierend Einfluss auf [dein] ganzes reales Leben", und das scheint der Knackpunkt zu sein - dein Ich scheint in dieser Situation nicht genug Raum zu haben, um frei atmen zu können. Ein 24/7 fremdbestimmtes DDlg + D/s Leben mag in der Theorie verlockend sein, kann für manche Menschen auch erfüllend sein, aber nach allem, was du beschreibst, habe ich nicht das Gefühl, dass du einer dieser Menschen bist. Ich glaube, in deinen Zeilen eine Art Zerrissenheit zu lesen, die auf Dauer sicher nicht gesund ist.

Ich kenne eure Beziehung nicht und will nicht darüber urteilen. Mein Eindruck ist nur, dass deine Persönlichkeit mehr Freiheit braucht, als dein Partner zulässt und auch eine andere Art von Zuwendung zusätzlich zu der, die du von ihm bekommst.

Das wäre eigentlich ein Thema, das du mit deinem Partner besprechen solltest. Kommunikation ist ein absolut wesentlicher Bestandteil einer Beziehung, und gerade im BDSM-Kontext ist es wesentlich, darauf zu achten, dass es beiden mit der gewählen Dynamik gut geht, oder ob es Korrekturen im Miteinander braucht.

Das sollte eigentlich problemlos besprechbar sein. Wenn dem nicht so ist und dein Partner darauf besteht, so weiterzumachen wie bisher, wäre das ein guter Grund, aus der Beziehung auszusteigen, denn der momentane Zustand tut dir offenbar nicht gut.
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“I’d spell it out for you, only I can’t spell.” –Fran Kubelik


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