Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

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kem
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Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von kem » 31.03.2018

Hi zusammen,

nahezu auf jeder Social Media Plattform ist unser neuer Gesundheitsminister beinahe täglich eines der Hauptgesprächsthemen. Da habe ich mich gefragt, wie ist eigentlich hier die Meinung zu Jens Spahn? Lest ihr Artikel über das, was er gesagt hat oder haben soll überhaupt? Oder bringen euch schon die Schlagzeilen so in Rage, dass ihr annähernd Hass empfindet?

Ich muss sagen, ich mag Jens Spahn. Ja, er hat eine sehr provozierende Art und es scheint auch so, als mangele es ihm an Empathie, aber immerhin schafft er es, dass flächendeckend über Gesundheitsthemen (und über andere gesellschaftlich relevante Themen) gesprochen wird. Und zwar auch von solchen Leuten, die sich sonst so gut wie gar nicht für Politik interessieren. Auch finde ich, dass vieles (nicht alles), von dem was er sagt - wenn man denn den ganzen Text und nicht nur die Überschrift eines Artikels liest - sogar richtig ist.

Natürlich müssen wir beispielsweise den #Pflegenotstand auch mit Pflegekräften aus dem Ausland in den Griff bekommen. Auch wenn wir jetzt die Bezüge der Pfleger*innen erhöhen (so wie es angedacht ist), sind hier ja einfach nicht ausreichend qualifizierte Menschen verfügbar. Und natürlich ist man nicht reich, wenn man Hartz IV bekommt. Aber Hartz IV ist der letzte Schutz vor der Mittellosigkeit in Deutschland...

Auf der anderen Seite finde ich es falsch und grotesk, gegen die Abschaffung des §219a zu sein...

Ich bin auf eure Meinungen gespannt. :-)

kem
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giaci9
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von giaci9 » 01.04.2018

DIe Art, wie er sich immer ins Gespräch bringt, hat etwas von Seehofer - kommt mir immer ausgesprochen unkonstruktiv vor. Natürlich, er ist neu in der ersten Reihe und muss sein Profil schärfen, aber eigentlich ist die Stärke der CDU des letzten Jahrzehnts eben konstruktive Politik. Was Spahn bei Sachtehmen angeht: Ein Blogger hatte für Spahn letztens den Begriff "Salonkonservativer" analog für "Salonkommunist" vorgeschlagen, das fand ich ganz gut. Spahn ist fürs eigene Profil immer deutlich konservativer als die CDU-Linie (219 Stgb, Hartz-IV-Aussagen, "Im Prenzlauer Berg wird ja nur noch Englisch gesprochen, unerhört!"-Aussage, etc), mit Ausnahme der Ehe für alle - und da bin ich mir ehrlich gesagt realtiv sicher, dass er in der Gewissensentscheidung nur deshalb mit Ja gestimmt hat, weil er da seine Private Perspektive hat.

Gefühlt kommt das Aussagen-Dauerfeuer von Spahn aber nicht so gut an - besten Beispiel dafür die "Lebe so, dass Jens Spahn etwas dagegen hätte"-Tshirts. Natürlich kann man für einen Politiker in seiner Situation sagen, dass erstmal jedwede Aufmerksamkeit gute Aufmerksamkeit ist und er sich erstmal bekannter machen muss - wenn man sich aber als Dauer-Phrasendrescher bekannt macht, muss man aufpassen, nicht so zu Enden wie Drobrindt/Seehofer.

Da fand ich es sehr viel "schöner", wie sich Giffey von der SPD mit der Aussage "ErzieherInnen sollten gleiche Bezahlung wie GrundschullehrerInnen bekommen" präsentiert hat - das ist aber definitiv nicht so lange hängen geblieben in den Medien wie Spahns Aussagen.

Ich persönlich finde die Aussagen von Spahn meistens "Kopfschüttel-anregend", was aber sicherlich an meiner eignen politischen Einstellung liegt, wobei man, wenn man statt des Titels dann seine ganze Aussage ließt, durchaus feststellen muss, dass Spahn Differenzierung kann.

Hm, das war jetzt aber ziemlich erwachsen. Jemand Bock auf Lego? :p

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Lorr
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Lorr » 01.04.2018

Also Lego muss erst mal warten ;-). Bisher haben ich den Eindruck, dass Herr Spahn in seinem Ministerium geistig noch nicht angekommen ist, sich im Posaunen von plakativen Halbweisheiten aber bestens auskennt. Danach kommt aber nicht viel Kontruktives, was man auch hier ( http://www.ardmediathek.de/tv/Hart-aber ... d=50971192 ) auch ganz gut nchvollziehen kann. So punktuell will ich mal ein paar Vorschläge zerpflücken......

Vorschlag ausländische Pflegekräfte importieren, die eine gleichwertige Berufsausbildung haben:

Warum sollten die kommen, wenn sie bis heute nicht gekommen sind? Es gibt bereits eine große Zahl vor allem osteuropäischer Pflegekräfte. Hier finden sich gut ausgebildetet erfahrene Leute genauso wie Menschen, die in der direkten Personenpflege zwar helfen können, aber von vielen Dingen (Wundversorgung, Hautpflege, Lagerung, Medikamente) wenig Ahnung haben. So in etwa wie bei uns die Krankenpflegehelfer/innen. Für Pflegekräfte aus dem Osten der EU wäre es also kein Problem hier eine Stelle zu finden. Womöglich spielt in deren Leben ihre Heimat aber auch eine Rolle, auch wenn sie hier vielleicht etwas mehr Geld bekommen würden. Zudem ist der Beruf in diesen Ländern oft höher angesehen als der Krankenpflegeberuf hier. Ich habe viele Patienten gesehen die mit alterfahrenen Krankenschwestern umgegangen sind wie man mit keinem Mensch umgehen darf. Und es liegt sicher auch an der gesellschaftlichen Stellung des Pflegeberufs, denn zu mir(nicht Pflegeberuf) sind die gleichen Patienten wie ausgewechselt. Ich finde sowas dreist und ekelhalft und habe es solche Menschen auch immer wissen lassen.

Zum anderen ist da für zugezogene Pflegkräfte oft eine Sprachbarriere, die zu überwinden es schon eine gewisse Zeit braucht.

Außerdem fehlt es dann in den entsprechenden Ländern an Pflegekräften. Dort sieht nämlich die prgnostizierte Altersverteilung ähnlich aus wie bei uns. Manche Stellen werden dann von Personal aus weiter östlicheren Länder aufgefangen (Ost-West-Migration von Fachräften). Sicher werden diese Länder aber auch Anstrengungen unternehmen ihre Fachkräfte zu halten. Außerdem ist es beschämend diesen Ländern ihre Fachkräfte zu klauen, nur weil man es selber verbockt hat den Pflegenotstand zu vermeiden.

Die einzigen Möglichkeit dem Pflegemangel zu begegnen ist jetzt für mehr Ausbildungsplätze und einen attraktiveren Beruf zu sorgen, vielleicht mit Karrierechancen, vielleicht mit deutlich mehr Geld und sicher mit geregelten Arbeitszeiten, die nur mit einer ausreichenden Personaldecke (es ist überhaupt wer da, der einen vertreten kann?) zu erreichen sind.

Die BlaBla Vorschläge von Herrn Spahn kann jeder am Tresen auch machen, ich vermisse was Konkretes. Ideen alleine helfen nicht, aber das können die Deutschen (bin auch einer) schon immer gut. Die Umsetzung erstickt dann häufig in der Bürokratie.

Stichwort Landärztemangel.......

Scheinbar hat kaum jemand verstanden warum es den gibt. Und es liegt nicht am Geld und nicht an den Arbeitszeiten. Denn Ärzte auf dem Land verdienen z.B gar nicht schlechter. Es liegt am "Land", das politisch in den letzten 30 Jahren im Gegensatz zu den städtischen Gebieten infrastrukturell vernachlässigt wurde. Hierzu für alle Städter ein kleiner Zeitungsartikel im link ( http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... erland-d17 ). Es gibt ja nicht nur weniger Ärtze, sondern auch weniger Schulen, weniger öffentlichen Nahverkehr, weniger Firmen/Arbeitsplätze auf dem Land, weniger Schulen und Kindergärten, weniger Geschäfte, keine schnelle Datenverbindung (zuletzt genannt, aber enorm wichtig, dieser Beitrag wir übrigens nur dank LTE geschrieben) usw.. Dafür gibt es mehr Windkraftanlagen, mehr Ackerflächen, insbesondere Maisfelder, weniger Natur, mehr Insektizide, mehr Pflanzenschutzmittel, mehr Gülle, mehr Industriebauten, die aufgrund ihrer Hässlichkeit in der Stadt nie zu errichten wären und sicherlich andere regionspezifische Verschlechterungen (ich kenne einige!). Denn die Stadtbevölkerung muss ja möglichst billig versorgt werden! Die Leute auf dem Land sind oft unzufrieden, was sich auch im Wahlergebnis niederschlägt (AFD hier 13%!). Natürlich sind die Leute auf dem Land auch teurer was prokopf Infratsrukturausgaben angeht, was eine Verbesserung der Lebensbedingungen dort natürlich auch im Weg steht.

Hat sich Herr Spahn mal dazu bekannt, dass die Regierungen der letzten 30 Jahre diese Rahmenbedingungen eher verschlimmert als verbessert haben? Sollte er erstens als Zeichen, dass er das verstanden hat und zweitens als Weckruf jetzt schnell zu handeln. Für meinen Beruf scheint sich schon mal nach diesem Koalitionsvertrag, außer neuer bürokratische Hürden, überhaupt nichts zu ändern.

Also Landärztemangel = Landflucht = von der Attraktivität des Lebens im ländlichen Raum abhängig, ganz einfach. Also ländlichen Raum aufwerten und alles wird besser.

Fachärzte- und Hausärztemangel(wobei die ja auch alle Fachärzte sind...) allgemein....woher kommt das und was kann man dagegen machen?
Nach der Wiedervereinigung sind die Studienplätze für Humanmedizin deutlich gesunken, was nicht an fehlenden Bewerbern sondern an deren Kürzung lag (wir mussten mal wieder sparen). Also wurden mit Wissen aller schlauen Leute über die Bevölkerungesentwicklung der kommenden Jahre weniger Ärzte ausgebildet. Es wurde zwar mittlerweile "nachjustiert" aber trotzdem hat uns der Bedarf schon lange überholt (siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Demografi ... eutschland ).

Nun gibt es noch zahlreiche Hürden, die neben dem Personalmangel an sich eine Rolle spielen. Das gilt für Fach oder Hausärzte auf dem Land und in der Stadt gleichermaßen. Z.B. ist eine Praxiseröffnung nur mit einem Kassenarztsitz möglich. Diesen vergibt die kassenärztliche Vereinigung, die an sich ein bürokratisches Monster ist. Auch in unterversorgten Gebieten werden einem jungen Arzt immer noch Steine in den Weg gelegt, die so sehr abschrecken können, dass sich mancher Arzt lieber im Krankenhaus anstellen lässt. Die bisher geschaffenen Anreize sind "kalter Kaffee", insbesondere wenn es darum geht sein Lebensmittelpunkt aufs Land zu verlegen.

Zudem führen die Arbeitsbedingungen, die das Arbeitszeitgesetz oft verhöhnen, gerade in den Krankenhäusern dazu, dass Ärztininnen nach der Babypause nicht wieder in den Beruf einsteigen wolle. Ein volkswitschaftliches Drama mit einer absolut verständlichen Ursache!

Also was muss man tun? Das Berufsbild niedergelassener Arzt attraktiver machen, was leistungsorientierte Vergütung angeht, bürokratische Hürden abschaffen, Teilzeitarbeitsplätze attraktiver machen, Niederlassungsbeschränkungen gerade im ländlichen Raum abschaffen (man muss froh um jeden Trottel sein) = mehr Ärzte = weniger Wartezeit=bessere Versorgung. KV abschaffen? Vielleicht auch hilfreich.

Zudem sollte es mehr Gemeinschaftspraxen geben die gerade Teilzeitmodelle und kollegiales Miteienander erst ermöglichen.

Ich finde unser planwirtschaftliches Kassenarztsystem zwar fürchterlich, glaube aber, dass es bis auf die Terminvergabe keine großen Unterschiede in der Behandlungsqualität gibt. Im Gegenteil - ich würde oft gerne auf eine Chefarztbehandlung verzichten ;-) Darauf einzugehen würde jetzt aber noch mehr den Rahmen sprengen.

Jetzt kommt der grooooooße Haken an der Sache. Wenn alles besser werden soll kostet das auch viel mehr Geld. Das heisst für jeden Einzelnen mehr Gesundheitsabgaben, was insgesamt auch nachrangig zu einer Lohnesteigerung führen wird (wogegen im Lohn-Dumping Land Deutschland auch nichts einzuwenden ist). Das heißt aber nicht, dass die Ärzte immer reicher werden, denn es soll ja mehr medizinisches Personal geben auf die das dann verteilt wird.

Also jeder der meckert muss dann auch bereit sein mehr zu bezahlen. Das heißt im Umkehrschluss für Meckerer im Wartezimmer, die nicht mehr bezahlen wollen: Schnauze halten! ;-)

Und wenn Herr Spahn das liest kann er mir gerne eine PN schicken. Ich werde ihm dann nochmal auf den SpahnZahn fühlen.

Es grüßt der Osterhase
Zuletzt geändert von Lorr am 01.04.2018, insgesamt 1-mal geändert.

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kem
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von kem » 01.04.2018

Huiuiui, ein konstruktiv-kreativer Osterhase, heute. :)

Das hier:
Also Lego muss erst mal warten ;-). Bisher haben ich den Eindruck, dass Herr Spahn in seinem Ministerium geistig noch nicht angekommen ist, sich im Posaunen von plakativen Halbweisheiten aber bestens auskennt.
ist doch genau was ich meine. Jensi ist noch nicht angekommen, schafft es aber trotzdem, dass nahezu alle über sein Ressort und seine Aufgaben reden. Wenn er keine eigenen Ideen hat, aber mit "ein Bisschen" Polemik gleich eine Vielzahl guter und konstruktiver Vorschläge provozieren kann, ist das ... hmm... irgendwie eine neue Taktik. :)
... Warum sollten die kommen, wenn sie bis heute nicht gekommen sind? Es gibt bereits eine große Zahl vor allem osteuropäischer Pflegekräfte. Hier finden sich gut ausgebildete, erfahrene Leute genauso wie Menschen, die in der direkten Personenpflege zwar helfen können, aber von vielen Dingen (Wundversorgung, Hautpflege, Lagerung, Medikamente) wenig Ahnung haben.
Jup. stimmt. Aber, wenn ich Jensi richtig verstehe, will er natürlich auch alles mobilisieren, was der heimische Arbeitsmarkt bereits hergibt. Er will ja nicht nur "im Ausland" wildern. Afaik geht es lediglich darum, kurzfristige Bedarfslücken zu schließen.
Womöglich spielt in deren Leben ihre Heimat aber auch eine Rolle, auch wenn sie hier vielleicht etwas mehr Geld bekommen würden. Zudem ist der Beruf in diesen Ländern oft höher angesehen als der Krankenpflegeberuf hier. Ich habe viele Patienten gesehen die mit alterfahrenen Krankenschwestern umgegangen sind wie man mit keinem Mensch umgehen darf. Und es liegt sicher auch an der gesellschaftlichen Stellung des Pflegeberufs, denn zu mir(nicht Pflegeberuf) sind die gleichen Patienten wie ausgewechselt.
Stimmt schon wieder. Das ist eines der Probleme, das in der Öffentlichkeit leider viel zu wenig diskutiert wird und ein klar gesellschaftliches Problem ist. Traurig, traurig.
Hat sich Herr Spahn mal dazu bekannt, dass die Regierungen der letzten 30 Jahre diese Rahmenbedingungen eher verschlimmer als verbessert haben? Sollte er erstens als Zeichen, dass er das verstanden hat und zweitens als Weckruf jetzt schnell zu handeln. Für meinen Beruf scheint sich schon mal nach diesem Koalitionsvertrag, außer neuer bürokratische Hürden, überhaupt nichts zu ändern.
Nö. Hat er noch nicht. Aber das kann man von ihm vielleicht auch nicht erwarten. Er sieht das nicht als seine persönliche Verfehlung an und wird deshalb vermutlich nichts dazu sagen... :D
Jetzt kommt der grooooooße Haken an der Sache. Wenn alles besser werden soll kostet das auch viel mehr Geld. Das heisst für jeden Einzelnen mehr Gesundheitsabgaben, was insgesamt auch nachrangig zu einer Lohnesteigerung führen wird (wogegen im Lohn-Dumping Land Deutschland auch nichts einzuwenden ist). Das heißt aber nicht, dass die Ärzte immer reicher werden, denn es soll ja mehr medizinisches Personal geben auf die das dann verteilt wird. Also jeder der meckert muss dann auch bereit sein mehr zu bezahlen. Das heißt im Umkehrschluss für Meckerer im Wartezimmer, die nicht mehr bezahlen wollen: Schnauze halten! ;-)
Auch dabei bin ich voll bei dir, Osterhäschen! :)

Ich lese da insgesamt Mal raus: Du bist kein Spahn-Freund, aber trotzdem bereit, jede Menge konstruktive Kritik und Verbesserungsvorschläge beizutragen. Fein, fein. :)
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Pimpernuckel » 01.04.2018

Auch finde ich, dass vieles (nicht alles), von dem was er sagt - wenn man denn den ganzen Text und nicht nur die Überschrift eines Artikels liest - sogar richtig ist.
Das mag zwar unter wirtschaftsliberalen und, ganz abstrakt gedacht, auch sozialpolitischen Gesichtspunkten stimmen, aber in Gesundheits- und Sozialsystemen geht es eben nicht nur um die Verwaltung berechenbarer Größen wie Geld- und Personalbedarfe oder 100% Wirtschaftlichkeit. Das hat der gute Mann noch nicht begriffen und da sind Dinge wie z.B. seine Hartz-IV-Äußerungen einfach mal bestenfalls nur dummes Geschwafel, schlimmstenfalls eine reale Beleidigung für die, die es betrifft. Wenn's mir gut geht, kann ich auch schön daherreden und sagen, dass das alles nicht so schlimm ist. Es bleibt einfach unbestritten, dass unser Sozialstaat mächtig erodiert ist und viele Menschen ausgeschlossen werden. Das hat eben nicht immer was nur mit Geld und der Verfügbarkeit von bestimmten staatlichen Leistungen zu tun. Da muss man nicht damit argumentieren, dass man wenigstens ein Dach über'm Kopf hat, das das Jobcenter bezahlt...

Mal ganz davon abgesehen wird er meiner Meinung nach einfach nichts bewirken. Er ist selbst zu karrieregeil und wird sich nicht die Finger mit irgendwelchen grundlegenden Reformen verbrennen, wenn er später mal Kanzleramtsminister oder sowas werden will. Soziale Themen sind für Politiker sowieso immer Karrieresprengstoff, weil es nun mal einfach nicht möglich ist, Leistungen so zu verteilen, dass sich keiner auf den Schlips getreten fühlt. Neid ist eine böse Sache. Selbst die olle Nahles war nicht so blöd, sich mit einer grundlegenden Gesundheitsreform zu viele Feinde zu machen und die war weit weniger ambitioniert und stand weniger im Rampenlicht als das Spä(h)nchen. Was mich betrifft, muss er also an seiner Sympathiekurve noch mächtig arbeiten und erstmal beweisen, dass er auch soviel Arsch in der Hose hat, wie er in seinen Sprüchen immer vorgibt. Vielleicht schafft er's ja wenigstens mal, die Hilfsmittelversorgung im Inkontinenzbereich wieder vernünftig zu regeln... Man freut sich ja schon über kleine Erfolge.

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Pimpernuckel » 01.04.2018

Natürlich müssen wir beispielsweise den #Pflegenotstand auch mit Pflegekräften aus dem Ausland in den Griff bekommen. Auch wenn wir jetzt die Bezüge der Pfleger*innen erhöhen (so wie es angedacht ist), sind hier ja einfach nicht ausreichend qualifizierte Menschen verfügbar.
Sind sie? Auch diese Argumentation halte ich für relativ schwach und passenderweise verbindet sich das ja auch mit dem Hartz-IV-Thema: Wie kann es denn sein, dass in Zeiten, wo die Wirtschaft brummt, es nicht gelingt, Arbeitslose zu mobilisieren und zu integrieren? Es gäbe genug Leute, die würden auch gern in der Pflege arbeiten, aber wenn man ihnen keine Chance gibt und das Anforderungsprofil so unrealistisch überzogen ist, wird man da nicht zusammenfinden. Auch das ist eine der Wahrheiten hier. Wenn man allein das mal zusammenrechnet, hat also Kollege Spahn hier schon genug zu tun, wobei sich aber gleichzeitig auch eine nachhaltige, langfristige Lösung anbietet, die auch in seinen Kompetenzbereich fällt.

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Lorr
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Lorr » 01.04.2018

Wenn jemand ein Ministerium zugeschustert bekommt, der sich dort erstmal mit grundlegenden Fragen beschäftigen muss ist doch auch schon wieder irgendwas schiefgelaufen.
Ist der Mann überhaupt ein besonderer Gesundheitsexperte?

Sollte es nicht eher jemand sein, der sich mit grundlegenden Fragen schon jahrelang auseinandergesetzt hat?

Ist es vielleicht auch möglich, dass Frau Merkel so einen ihrer ärgsten Widersacher einfach mal mit was anderem beschäftigt als sich von ihm weiter kritisieren zu lassen?

Herr Spahn ist jetzt jedenfalls erst mal damit beschäftigt nicht den letzten Funken seiner Popularität zu verlieren nach den unqualifizierten Aussagen, die er bisher getroffen hat.
Das ist ja für seine weitere politische Karriere auch von immenser Bedeutung.

Nachtrag: Habe mal die Vita von Jens Spahn gelesen, zugegebernmaßen hat er ich mit dem Thema schon eine Zeit lang beschäftigt.....


Gute Nacht wünscht
Der Osterhase
Zuletzt geändert von Lorr am 02.04.2018, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von giaci9 » 02.04.2018

Ist es vielleicht auch möglich, dass Frau Merkel so einen ihrer ärgsten Widersacher einfach mal mit was anderem beschäftigt als sich von ihm weiter kritisieren zu lassen?
Das sicherlich. Bei Kohl hätte man das "Schachzug von großmeisterlicher Qualität" genannt. :D

Spahn hat immerhin mal ein "Buch" über Gesundheitsthemen und deren Zukunft (Was mit App und Digital) geschrieben, was durchaus zu seinem Ministerposten passt nun - übrigens weiß ich nicht, ob Minister unbedingt im Themengebiet ihres Ministeriums Experte sein müssen oder vielleicht eher in Führungs-Skills.

Und ja, ich denke auch, dass das für ihn mit der Popularität schwierig wird (Seehofer-Effekt könnte man das nennen. :D). Wie man gleichzeitig mit markigie aber nicht großkotzige Zitaten an die Öffentlichkeit gelangt zeigt ja aktuell Phillip Amthor, man könnte sagen Spahns potenzieller Nachfolger. :D

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von ginni » 03.04.2018

Aber Hartz IV ist der letzte Schutz vor der Mittellosigkeit in Deutschland...
schön wärs. es gibt genug personen, die unverschuldet durch dieses letzte "sicherungsnetz" rutschen.
ich bin eine person davon. ich möchte das nicht näher ausführen, aber ich möchte gerne mal diese traumblase zerstören, die so gerne in der gesellschaft existent gehalten wird.

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Pfirsichmeerschweinchen » 04.04.2018

Es gäbe genug Leute, die würden auch gern in der Pflege arbeiten, aber wenn man ihnen keine Chance gibt und das Anforderungsprofil so unrealistisch überzogen ist, wird man da nicht zusammenfinden. Auch das ist eine der Wahrheiten hier.
Die Anforderungen bzw. die Zulassungsbeschränkungen für den Pflegebereich sind überzogen? Welche Anforderungen?
Meiner Meinung nach liegt der Fachkräftemangel nicht daran, sondern daran, dass der Beruf unbeliebt ist. Die wenigstens (jungen ) Leute wollen eine Ausbildung machen und später einem Beruf nachgehen, der in der Regel Schicht- und Wochenendienst beinhaltet, harte körperliche Arbeit, schreckliche Rahmenbedingungen und mit verhältnismäßig wenig Geld und einer gesellschaftlichen Anerkennung zwischen "Mein Beileid" und dem obligatorischen "Also ich könnte das nicht"
Mit den Erziehern ist es übrigens ähnlich, auch wenn da zumindest in einigen Bereichen die Arbeitszeiten ähnlich sind. Aber selbst wenn die gute Frau Giffey sich nicht nur ins Gespräch bringen wollte, sondern ihre Forderungen tatsächlich umsetzen kann, wird das meiner Meinung nach nicht nennenswert zu einer Verbesserung des Fachkräftemangels beitragen. Die wird dann eintreten, wenn sich die Arbeitsbedingungen verbessern und die Ausbildung umstrukturiert und angemessen vergütet wird. Wenn ich die Wahl habe, einen Beruf mit wenig Anerkennung und wenig eisigen finanziellen Aussichten zu erlernen und mich arbeitslos zu melden und dann mehr Geld zur Verfügung zu haben und die Miete bezahlt zu bekommen, entscheiden sich wohl nur sehr idealistische und ambitionierte Menschen für den Erzieherberuf.
Niemand kann sich sicher sein, den nächsten Morgen zu erleben, aber wir stellen alle den Wecker. So geht Hoffnung.

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von Pimpernuckel » 04.04.2018

Die Anforderungen bzw. die Zulassungsbeschränkungen für den Pflegebereich sind überzogen? Welche Anforderungen?
Ausbildungszeiten? Eignungsprüfungen? Gesundheitsprüfungen? Ich meine es gibt so viele Dinge in der Pflege, wo es völlig irrelevant wäre. Und auch dein Argument, dass es wegen der gräßlichen Arbeitsbedingungen keiner machen will, kann ich aus persönlicher Erfahrung widerlegen. Klassisches Beispiel: Schüler (meiner Mutter) mit Hilfsschulabschluss, die es saugern machen würden, aber nicht dürfen, weil sie aufgrund ihres Bildungsweges von vornherein als ungeeignet gelten. Sozusagen wie beim NC im Medizinstudium - völlig egal, ob du Empathie mitbringst und dich reinknien willst, es zählen nur Zensuren.

Ähnliches kann man auch unter Arbeitslosen beobachten. Ich kenne tagesaktuell mindestens zwei Leute, die es gern würden, aber mit 50+ gibt denen keiner eine Chance und dann ist es ja auch die Frage, ob sie sich die effektiv 5 Jahre lange Ausbildungszeit, bis sie vielleicht mal eigenverantwortlich am Patienten arbeiten dürfen, auch geben wollen. Und um den Ball auch gleich wieder zurückzugeben - ja, auch das bezieht sich genauso auf Erzieher, Fachkräfte in der öffentlichen Verwaltung usw.. Der Fehler liegt durchaus auch in unserem völlig überakademisierten Ausbildungssystem.

Dass die sonstigen Bedingungen auch suboptimal sind, darüber brauchen wir, glaube ich, nicht zu debattieren, aber es kann sich noch der Blödeste an zwei Fingern abzählen, warum so wenig nachkommt. Aber selbst das ist lächerlich, wenn man bedenkt, dass anstatt hier in Deutschland die Umstände zu verbessern, wir lieber unqualifiziertes Personal importieren und uns dann auch bloß über die Qualität der Pflege aufregen... My 2 Cents.

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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von kem » 04.04.2018

Schön, dass hier eine Diskussion entsteht, aber wir driften ein kleines Bisschen vom Thema ab. :D

Ja, Hartz IV-Empfänger und bedürftige Nichtempfänger haben kein einfaches, schönes Leben. Und sicherlich kann man auch über die Anforderungen und Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen unterschiedlicher Meinung sein. Aber das sind ja andere Fragen... Wenn ihr da Diskussionslust habt,
öffnet gerne einen neuen Thread. :)

Ich entnehme euren Kommentaren aber zumindest eine gemeinsame Abneigung gegenüber dem Spahn-schen Pöbel-Impuls-Konzept. :)
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Re: Jens Spahn - Dafür oder dagegen und warum

von cvetoslava » 04.04.2018

Aber Hartz IV ist der letzte Schutz vor der Mittellosigkeit in Deutschland...
schön wärs. es gibt genug personen, die unverschuldet durch dieses letzte "sicherungsnetz" rutschen.
ich bin eine person davon. ich möchte das nicht näher ausführen, aber ich möchte gerne mal diese traumblase zerstören, die so gerne in der gesellschaft existent gehalten wird.
Genau das ist das Problem. Man darf sich bei ALGII nicht selbständig fortbilden. Jede Eigeninitiative wird unterbunden. Oft bleibt dann für viele auch körperlich/seelisch angeschlagene nur die Rente, womit ich aber weder mich selbst noch einen anderen aus diesem Forum meine. Ist eben ein Systemfehler.
"Wer tiefer irrt, der wird auch tiefer weise." Gerhart Hauptmann, niederschlesischer Schriftsteller

Das Leben ist ein Karpfenteich. Aktion Neißelachs


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