Vertrauen in die Politik

Benutzeravatar
Explorer
Beiträge: 171
Registriert: 07.12.2017
Ich bin: süß
Hat sich bedankt: 63 Mal
Danksagung erhalten: 22 Mal

Vertrauen in die Politik

von Explorer » 21.05.2019

Cave: Ich will mich hier weder rechts, noch links positionieren! Wenn das Thema von den Mods nicht gewünscht ist, oder die Diskussion aus dem Ruder läuft, kann's auch ruhig verschwinden. Alles für den Forenfrieden!

In Österreich braucht man derzeit nicht einmal aufmerksam die Tagespolitik verfolgen, um mitzubekommen, dass Hr. Strache dabei gefilmt wurde, als er 2017 die Republik um ein paar Millionen "verkaufen" wollte, nachdem er in späterer Folge in das Amt des Vizekanzlers käme.
Ich fand es ehrlich gesagt nicht sehr verwunderlich, dass so etwas oder etwas ähnliches eines Tages einem Politiker passiert, war aber dennoch durch die Selbstverständlichkeit, welche in diesem brisanten Video herrscht erschüttert.

Vertraut ihr in die Politik und ihre Fähigkeit, solche illegalen Machenschaften zu unterbinden bzw. gering zu halten? (Stichwort illegale Parteienfinanzierung)
Wie seht ihr das in weiterer Folge? Hat nicht jeder Politiker mehr oder weniger Dreck am Stecken?
Und zu guter Letzt stelle ich mir natürlich die Frage nach der Alternative: Wie schon Winston Churchill festgestellt hat, ist die Demokratie nicht perfekt, jedoch haben andere Regierungsformen auch nicht besser funktioniert.
It's not a bug, it's a feature.

Benutzeravatar
Georg
Beiträge: 954
Registriert: 16.12.2016
Ich bin: Papa
Hat sich bedankt: 13 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von Georg » 22.05.2019

Nicht ohne Grund gilt in vielen Foren die Regel: Keine Diskussion über Fußball, über Religion und über Politik. Denn über diese drei Themenbereich kann man leicht in Streit geraten.

Ich kann nur empfehlen, sich für Politik zu interessieren, damit man bei Wahlen weiß, für was die einzelnen Parteien stehen. Denn schließlich beeinflußt das Wahlergebnis das persönliche Leben in irgendeiner Form.

Und gerade an den Ereignissen in Österreich sieht man, wie wichtig eine unabhängige Presse ist. Das zeigte sich schon 1962 bei der sog. Spiegel-Affäre, als man einem Nachrichtenmagazin unterstellte, es hätte Landesverrat begangen. Dabei hatte es über Mißstände in der Bundeswehr berichtet. Da die Presse den Politikern auf die Finger schaut, ist sie bei vielen Politikern nicht gern gesehen.

Der Wahlspruch einer heute unter anderem Namen noch existierenden deutschen Partei war: "Die Partei, die Partei, die hat immer Recht". Auch heute gibt es Parteien, die meinen sie wären im Recht und versuchen mit allen Mitteln ihre Meinung durchzusetzen. Leute mit andere Meinung versucht man stumm zu bekommen. Da wird das Wahlvolk handfest belogen, wie vor der Abstimmung zum Brexit. Inzwischen geht es dort nur noch darum, an die Machthebel der Politik zu kommen. Man blockiert vernünftige Lösungen. Den Schaden wird jeder persönlich erleben. Aber Hauptsache, man kommt an die Macht. Da sind dann alle Mittel recht.

Explorer, du bist ja dicht dran an diesen Ereignissen in Österreich. Verständlich, daß dich das aufwühlt. Aus der Entfernung sieht man das schon etwas gelassener. Und das Politiker ihr Amt aufgeben müssen, gab es schon öfter. Aber ich muß dir sagen, daß ich schon darüber nachgedacht habe, welche Auswirkungen es hätte, wenn so etwas in Deutschland passieren würde.

Deine Frage, ob man der Politik vertrauen kann, würde ich mit nein beantworten.
Hättest du gefragt, ob man der Politik trauen kann, würde ich auch nein sagen.
Man sollte ein gesundes Mißtrauen haben.

Im Zusammenhang mit den Ereignissen von 2015 hat die Politik durch Schweigen veresucht, die Probleme unter der Decke halten zu können. Man hat lange Zeit versucht, die Stimmung im Lande zu ignorieren. Die Folgen können wir jetzt europaweit besichtigen.

Kürzlich wurde berichtete die Polizei, die Kriminalität im Lande ginge immer weiter zurück. Wir können uns immer sicherer fühlen. Nur wie paßt dann diese Nachricht ins Bild?
https://www.waz.de/region/rhein-und-ruh ... 62009.html
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Georg für den Beitrag:
SaphirWolf

Benutzeravatar
Explorer
Beiträge: 171
Registriert: 07.12.2017
Ich bin: süß
Hat sich bedankt: 63 Mal
Danksagung erhalten: 22 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von Explorer » 22.05.2019

Da wird das Wahlvolk handfest belogen, wie vor der Abstimmung zum Brexit. Inzwischen geht es dort nur noch darum, an die Machthebel der Politik zu kommen. Man blockiert vernünftige Lösungen. Den Schaden wird jeder persönlich erleben.
Ich finde interessant, dass Du den Brexit erwähnst.
An Umfragen ist durchaus zu erkennen, dass viele Briten heute anders abstimmen würden. Somit haben sich am 23. Juni 2016 viele Briten keine tiefgehenden Gedanken über ihr Kreuz gemacht. Die Demokratie sieht nicht vor, dass Abstimmungen vorgenommen werden, bis das Ergebnis passt. Sorry not sorry. ^^
Mein Punkt ist: Wir hatten in Europa schon länger keinen Krieg mehr. Vielleicht braucht's wieder einmal für ein paar Jahre eine Diktatur, um uns verwöhnten Europäern zu zeigen, welches Machtinstrument jede/r einzelne am Wahltag in den Händen hält.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen von 2015 hat die Politik durch Schweigen veresucht, die Probleme unter der Decke halten zu können. Man hat lange Zeit versucht, die Stimmung im Lande zu ignorieren. Die Folgen können wir jetzt europaweit besichtigen.
Welche Ereignisse von 2015 meinst Du da?
Kürzlich wurde berichtete die Polizei, die Kriminalität im Lande ginge immer weiter zurück. Wir können uns immer sicherer fühlen. Nur wie paßt dann diese Nachricht ins Bild?
https://www.waz.de/region/rhein-und-ruh ... 62009.html
Glaube keiner Statistik, die Du nicht selbst gefälscht hast.
It's not a bug, it's a feature.

Benutzeravatar
Thias
Beiträge: 330
Registriert: 05.05.2018
Ich bin: nicht maschinenwaschbar oder trocknergeeignet.
Hat sich bedankt: 122 Mal
Danksagung erhalten: 80 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von Thias » 22.05.2019

Ich kann nur allen Leuten raten, die von der Politik oder den Politikern pauschal enttäuscht sind, selbst politisch aktiv zu werden – beispielsweise auf kommunaler Ebene, wo viele Fragen einen ganz engen Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit haben. Viele Ortsvereine der Parteien haben öffentliche Stammtische oder Gesprächsrunden bei denen man einfach vorbei kommen und sich das mal anschauen kann.

Ich kann das sagen, weil ich mit dem Enthusiasmus (und der recht üppigen Freizeit) eines Studenten schon im Jahr 2007 bei der Piratenpartei eingestiegen bin und einige Jahre das Auf und Ab der Partei begleitet habe. Am Anfang, als wir noch eine kleine Gruppe waren, waren die Treffen toll: Lauter junge motivierte Leute, kaum Widerspruch (weil alle ähnlich dachten) und der Anspruch, eine neue, transparentere, bessere Politik zu machen. Klarmachen zum Ändern war nicht für umsonst eines der ersten Parteimottos.

Das Konzept von Liquid Democracy, das in der Partei gelebt und genutzt wurde, finde ich bis heute sehr interessant und halte es nach wie vor für die beste Form direkter Demokratie (besser als Volksentscheide jedenfalls), obwohl auch das seine Tücken und Missbrauchspotentiale hat.

Ansonsten wurde die wachsende Partei aber den existierenden Parteien leider immer ähnlicher: Es gab Parteimitglieder, für die man sich fremd geschämt hat. Es gab politische Positionen die man absolut nicht geteilt hat und Hinterzimmerdeals, die nicht zum Anspruch der Partei gepasst haben, die alles anders und transparent machen zu wollen. Aus heutiger Sicht muss ich daher anerkennen: Politik ist wie sie ist, weil Menschen sind wie sie sind.

Wenn mich ein guter Freund um Hilfe bittet, dann helfe ich mehr und bereitwilliger als ich das bei Fremden tue. Wenn mich ein guter Freund um Zeit bittet, dann nehme ich mir diese, selbst wenn mein Terminkalender voll ist. Wenn dieser Freund aber nun für eine Firma arbeitet und ich Politiker bin? Dann habe ich einen Konflikt zwischen dem Amt, den offiziellen Abläufen und meinem Wesen als Mensch. Schon das kann problematisch sein – da muss noch nicht mal Geld fließen oder es muss noch nicht mal im Austausch Gefälligkeiten geben. Natürlich kann es das auch geben – das ist dann kriminell.

Umgekehrt ist es sehr schwer, sich einer politisch sinnvollen Position anzuschließen, wenn sie von einer Person vertreten wird, die man auf persönlicher Ebene nicht leiden kann. Auch das sieht man in der Politik leider immer wieder.

Politik funktioniert nämlich immer über Kontakte und Beziehungen. Deshalb sind meiner Meinung nach auch solche Modelle wie eine Begrenzung der Mandate auf nur eine einzige Amtszeit problematisch – bis sich die Person eingearbeitet und ihr Netzwerk geknüpft hat, ist sie quasi schon wieder weg und muss daher fast zwangsläufig wirkungslos bleiben. Insofern sehe ich Berufspolitiker, die über Jahrzehnte in Berlin oder Brüssel unterwegs sind nicht pauschal kritisch – solange es keine geschlossene Gesellschaft ist in die es für Neue überhaupt keinen Weg hinein mehr gibt.

Was die große Politik angeht: Wählt eine Partei, deren Politiker eure Werte und eure Sichtweisen bestmöglich teilen, dann könnt ihr davon ausgehen, dass sie sich auch bei neuen, unvorhersehbaren Problemen und Fragen in eurem Sinne entscheiden werden. Individuelle Verfehlungen von Politikern oder dass ihr mit einzelnen Entscheidungen unglücklich seid, wird das natürlich nicht verhindern.
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Thias für den Beitrag:
giaci9
Wir glauben Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns (Eugène Ionesco)

Benutzeravatar
Thias
Beiträge: 330
Registriert: 05.05.2018
Ich bin: nicht maschinenwaschbar oder trocknergeeignet.
Hat sich bedankt: 122 Mal
Danksagung erhalten: 80 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von Thias » 22.05.2019

Wer sich rund eine Stunde dafür Zeit nehmen will, dem kann ich diesen Vortrag von Jonathan Haidt sehr ans Herz legen.

Zwar geht es um die US-Politik, aber letztlich lassen sich viele dortige Phänomene (Vertrauensverlust von Politikern, die gegenseitige Blockade statt konstruktiver Zusammenarbeit etc.) mehr oder weniger in vielen westlichen Demokratien finden.
Wir glauben Erfahrungen zu machen, aber die Erfahrungen machen uns (Eugène Ionesco)

Benutzeravatar
Georg
Beiträge: 954
Registriert: 16.12.2016
Ich bin: Papa
Hat sich bedankt: 13 Mal
Danksagung erhalten: 46 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von Georg » 22.05.2019

Explorer schreib:
Mein Punkt ist: Wir hatten in Europa schon länger keinen Krieg mehr. Vielleicht braucht's wieder einmal für ein paar Jahre eine Diktatur, um uns verwöhnten Europäern zu zeigen, welches Machtinstrument jede/r einzelne am Wahltag in den Händen hält.

1969 erschien ein Buch mit dem Titel: Die Kriege der Nachkriegszeit. Der Autor kam damals auf 100 Kriege weltweit.
Es gibt eine Auflistung im Internet, die um 1985 endet und 160 Kriege nach 1945 auflistet.

Die Politik hat immer versucht, die einmal geschaffenen Grenzen von 1945 zu erhalten. Wenn man erst mit Grenzverschiebungen anfängt, macht man die Büchse der Pandora auf. Natürlich ist es eine Frage der Definition, was man als Krieg bezeichnet. Die Sowjetunion hat in Berlin, Budapest und Prag Panzer durch die Stadt rollen lassen, damit ihr Herrschaftsgebiet erhalten bleibt. Ist das noch kein Krieg? Und der Zerfall von Jugoslawien vor 25 Jahren? Wo nach dem Tod von Tito die Serben mit Gewalt den von ihnen zuvor dominierten Vielvölkerstaat zusammen zu halten versuchten. Für mich war das der erste richtige Krieg auf europäischen Boden, wo Bomben geworfen wurden, ganze Völkerschaften niedergemetzet wurden. Erinnert sei an das Massaker von Srebrenica.

Was ist mit der Krim und den Kämpfen in der Ost-Ukraine? Ist das nicht mehr Europa?

*****

Ein Bekannter ist vor Jahren in eine Partei eingetreten. Er ist in eine der sog. Volksparteien eingetreten und hoffte da etwas zur Veränderung beizutragen. In der Folgezeit wurde er zu den Versammlungen der Partei auf örtlicher Ebene eingeladen. Nach dem er regelmäßig dort erschien, wurde ihm schon nach kurzer Zeit angetragen, doch für den nächsten Gemeinderat zu kandidieren. Wie knapp muß die Personaldecke aktiver Parteimitglieder sein, dass man ihn so schnell einen Posten anbietet. Die Partei bekam aus der Zentrale der Partei regelmäßig Papiere, die man in den Sitzungen zu diskutieren pflegte. Dann wurde das Papier von den wenigen anwesenden Parteimitgliedern "abgenickt". Nachher stand dann in der Zeitung, dass sich die Partei für dieses oder jenes einmütig ausgesprochen hatte.

*****

Zum Thema Diktatoren.
Wie wird man sie wieder los?

->Die Tschechoslowakei und Ungarn waren zwischen den Weltkriegen keine lupenreinen Demokratien.

->Millitärputsch in Griechenland 1967 bis 1974, 1974 verlor die Junta die internationale Duldung und trat zurück.

->Wie oft hat das Millitär in der Türkei nach 1945 die Macht an sich gerissen? Viermal: 1960, 1971, 1980, 1997. Nur der Putsch von 2016 ging daneben.

->Die Faschisten in Italien unter Mussulini wurden nach rund 20 Jahren von den Amerikanern aus ihren Posten gejagt.

->Die Nelkenrevolution in Portugal beendete die 36-jährige Diktatur von Salazar.

->Die Frankodiktatur endete erst nach fast 4 Jahrzehnten mit dem Tod des Diktators und der Inthronisierung des jetzigen Königs, der den Übergang zu einer parlametarischen Demokratie einleitete.

-> Deutschland 1945 erwähne ich nur wegen der Vollständigkeit

Und die Türkei? Da läßt man solange wählen, bis das Ergenis stimmt. Solch ein Gebahren hat für mich diktatorische Züge.

Wünsch dir keinen Diktator, du weißt nie, wie man ihn wieder los wird.

LG Georg
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor Georg für den Beitrag:
Freches Mädel

MysteryGirl
Beiträge: 1392
Registriert: 08.02.2017
Hat sich bedankt: 63 Mal
Danksagung erhalten: 116 Mal

Re: Vertrauen in die Politik

von MysteryGirl » 22.05.2019

Zum Thema:
Vertrauen muss man sich verdienen, leider haben die meisten Politiker einen anderen Verdienst bei ihren Entscheidungen im Sinn.

Zum Thema Brexit:
Großbritannien weiß im Bezug auf den Brexit im Grunde, was es NICHT will. Was es will, das steht noch nicht fest.
Ich habe mich gefragt, wie sie über 18 Monate über den Ausstieg mit der EU verhandeln können und wie das Parlament den Vorschlag dann einfach ablehnen kann. Haben die Unterhändler nicht im Namen der Regierung verhandelt?
(Man kann nun Wetten abschliessen, ob Großbritannien aus der EU rausgeht, bevor vom neuen Flughafen in Berlin der erste reguläre Flug startet)

Zum Thema Krieg:
Wie uns die Geschichte schon öfters gelehrt hat, reicht es nicht, wenn man erst eingreift, wenn der Krieg schon da ist. Unrecht wurde in Deutschland schon vor 1939 durch die entsprechenden Gesetzänderungen begonnen (als Beispiel die Nürnberger Rassengesetze von 1935).
Das Problem hat nun zum Beispiel auch Polen mit seinen umfassenden Gesetzesänderungen in Richtung Diktatur.

Zum Thema Flüchtlinge:
Bevor sich jemand über die 10 Milliarden Euro Kosten für Kriegsflüchtlinge aufregt, sollte er sich erstmal Gedanken über die 100 Milliarden Euro machen, die uns jedes Jahr von privaten Steuerflüchtlingen und Firmen entgehen. Die einen flüchten vor dem Krieg - die anderen aus Habgier.

Man könnte noch viel ausführlicher über diese Themen schreiben, aber das soll erstmal hier genügen.

lg Sarah
Folgende Benutzer bedankten sich beim Autor MysteryGirl für den Beitrag:
cvetoslava


Zurück zu „Alles andere“