Coming out als AB/DL: Wem soll ich es erzählen?

Anmerkung: Dies ist eine deutsche Übersetzung eines Artikels von h3g3l, der unter http://www.adisc.org/forum/showthread.php/83378-To-Tell-or-Not veröffentlicht wurde. Die Übersetzung und die Veröffentlichung auf Kuddelmuddel erfolgen mit freundlicher Genehmigung der Admins von adisc.org.

Das Grundproblem

Eine häufige Frage, die sich uns als Mitglieder einer Gesellschaft stellt ist: „Wem soll ich es erzählen? Wann soll ich es erzählen? Ist es notwendig, es irgendjemandem zu erzählen?“ Dieser Konflikt ergibt sich, weil, um es direkt zu sagen, die AB/DL-Neigung und AB/DL-Verhalten in unserer Gesellschaft nicht die Norm sind. Das bedeutet nicht, dass sie „schlecht“ oder „falsch“ wären, aber es bedeutet, dass es keine vorhersehbaren gesellschaftlichen Verhaltensweisen gibt, wie Leute reagieren könnten, wenn sie von deiner AB/DL-Neigung erfahren. Als Folge haben viele von uns sehr starke Hemmungen, ihre Neigung oder ihren Standpunkt zu diesem Thema anderen mitzuteilen.

Muss man es mitteilen? Und wenn ja, welche Prinzipien sind dabei ausschlaggebend?

Das Coming out als AB/DL ist im besten Fall ein unsicheres Unterfangen und kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Beziehungen beendet werden, man öffentlich bloßgestellt, schikaniert oder belästigt wird, oder sich emotional oder körperlich unwohl fühlt. Trotzdem ist es nicht so, dass man seine Neigung anderen nicht mitteilen sollte; es sollte nur unter bestimmten Bedingungen und in vorsichtiger, aber dennoch geradliniger Weise geschehen.

Da dieser Artikel davon ausgeht, dass das Coming out eine fundamentale Änderung einer Beziehung bewirken kann (z.B. unveränderte oder vertiefte Beziehung, „Gewissen entlasten“, oder Beziehungsende), ist es wichtig, zwischen drei grundsätzlichen Arten von Beziehungen zu unterscheiden, da die Bedingungen, Risiken und möglichen positiven Auswirkungen in diesen Beziehungsarten unterschiedlich sind.

Kurze Zusammenfassung

Freunde:

  • Entscheide von Fall zu Fall; wenn du nicht absolut sicher bist, dann erzähle es nicht.
  • Vorteile können sein: eine Gemeinsamkeit entdecken (selten), oder eine Vertiefung der Freundschaft (ein gemeinsam geteiltes Geheimnis).
  • Risiken können sein: Verlust der Freundschaft, Rufmord, Isolation, Zerstörung sozialer Beziehungen.
  • Empfehlung: Nicht erzählen.

Familie:

  • Entscheide von Fall zu Fall; wenn du nicht absolut sicher bist, erzähle es nicht. Wenn du erwachsen bist und noch bei den Eltern wohnst, erzähle es nur, wenn deine AB/DL-Neigungen Auswirkungen auf mehrere Aspekte deines Lebens haben; erzähle es Geschwistern nur in seltenen Fällen, deinen Kindern auf keinen Fall.
  • Vorteile können sein: nötige Hilfe erhalten (von Eltern), ein Geheimnis teilen (mit Geschwistern).
  • Risiken können sein: Gesichtsverlust, Isolation, Scham, aus dem Haus verwiesen werden (bei Erwachsenen, die mit den Eltern leben).
  • Empfehlung: Nicht erzählen.

Liebesbeziehungen:

  • Das Coming out sollte geschehen, wenn absehbar ist, dass die Beziehung „ernsthaft“ wird, aber diesen Punkt noch nicht erreicht hat.
  • Vorteile können sein: eine Gemeinsamkeit entdecken (selten), eine Vertiefung der Beziehung und eine größere Nähe, Schaffung von Ehrlichkeit und offener Gesprächsbasis, und keine „Leiche im Keller“ zu haben.
  • Risiken können sein: Beziehungsende, Rufmord, Zerstörung sozialer Beziehungen.
  • Empfehlung: Erzähle es, sobald absehbar ist, dass die Beziehung „ernsthaft“ werden könnte.

Die Empfehlungen im Detail

Freunde

Freunde sind ein schwieriger und unberechenbarer Haufen. Mit engen Freunden hast du vielleicht sehr intime Gespräche und engen Kontakt, während losere Freundschaften auch mit Leuten bestehen können, die dich nur sehr oberflächlich kennen. Freunde haben kein Anrecht, keinen Anspruch und keine Notwendigkeit, von deiner AB/DL-Neigung zu erfahren. Wenn du dich einem Freund offenbarst und alles gut geht, werden sie sich immer fragen, ob du gerade Windeln trägst, wenn du mit ihnen unterwegs bist. Wenn es nicht gut geht, dann hast du ihnen alles in die Hand gegeben, was sie brauchen, um deinen Ruf zu ruinieren, was sehr belastend sein und dich sozial isolieren kann.

Familie

Es gibt keinen Grund, warum deine Kinder oder Geschwister von deiner AB/DL-Neigung wissen müssten. Deine Eltern sollten es jedoch wissen, falls diese Neigung dein alltägliches Leben in wesentlicher Weise einschränkt. Was ist damit gemeint? Beginnen wir mit dem einfacheren Fall, Kinder und Geschwister: Deine Kinder und Geschwister brauchen keine intimen oder sexuellen Details aus deinem Leben zu erfahren. Bei Kindern ist es — im besten Fall — äußerst merkwürdig und kann im schlimmsten Fall gegen dich eingesetzt werden, um dir den Gehorsam zu verweigern oder die Eltern-Kind-Dynamik in anderer Weise zu untergraben. Geschwister können eventuell Unterstützung bieten, falls du diese sonst nirgendwo findest und du dir sicher bist, dass dein Bruder/deine Schwester hilfsbereit, liebevoll und mitfühlend (und nicht bösartig oder gleichgültig) ist. Kurz gesagt, wenn du sonst nirgendwo Unterstützung findest, könntest du sie vielleicht bei Geschwistern finden, auch wenn diese Unterstützung eher von Emotionen als von Erfahrungen bestimmt sein wird. Nun zu Eltern: Wenn du bei ihnen wohnst und somit ihren Regeln folgen musst, kann es riskant sein. Es gibt sehr wenig, was du von einem Coming out den Eltern gegenüber gewinnen könntest, wenn deine AB/DL-Neigung nicht dir oder anderen Probleme verursacht oder deine Fähigkeit, ein normales Leben zu leben, stark einschränkt. Wenn du einmal ausgezogen bist, verändert sich die Eltern-Kind-Dynamik, aber das bedeutet immer noch nicht, dass deine Eltern intime Details über dich wissen müssten, und das beinhaltet, was du im Schlafzimmer oder sonst zum Spaß tust.

Liebesbeziehungen

Bisher haben wir über Beziehungen gesprochen, bei denen man nicht notwendigerweise stark emotional involviert sein muss. Liebesbeziehungen unterscheiden sich davon jedoch, weil die Bindung hier bis zur und während der Ehe stetig intensiviert wird, bis das Paar entweder miteinander schwimmt oder gemeinsam untergeht. Wenn absehbar ist, dass eine Liebesbeziehung „ernsthaft“ wird, solltest du deinem Partner/deiner Partnerin von deiner Neigung erzählen. KEINESFALLS solltest du dich verloben oder verheiraten, wenn du es nicht erzählt hast. Diese zwei Punkte, der Zeitpunkt des Coming out, und die Warnung, deine Neigung keinesfalls zu verheimlichen sollen weiter erklärt werden, letzteres zuerst: Wenn du nicht von deiner Neigung erzählst, kommunizierst du nicht offen. Da Verlobungen und Ehen Kommunikation ERFORDERN — und zwar offene und vollständige Kommunikation –, ist die Unfähigkeit, zu diesem Zeitpunkt zu kommunizieren, ein zuverlässiger Indikator für ungesunde Verhaltensweisen in der Beziehung, was später zu Trennung und Scheidung führen wird. Was den Zeitpunkt betrifft, die „Ernsthaftigkeit“ der Beziehung, damit ist der Punkt gemeint, wenn die Beziehung keine vorübergehende Verliebtheit mehr ist, sondern eine emotionale Bindung einsetzt. Da jede Beziehung anders ist, gibt es keine eindeutigen Kriterien, wann das der Fall ist, aber es gibt einige Indizien:

  • Fortgesetzter sexueller Kontakt;
  • Gemeinsamer Besitz;
  • Mehrere aufeinanderfolgende gemeinsam verbrachte Tage und Nächte;
  • Jobwechsel oder Wohnsitzwechsel, um näher beim Partner zu wohnen;
  • Gemeinsame Wohnung.

Die Empfehlung ist, deinem Partner von deiner Neigung zu erzählen, BEVOR diese Dinge in eurer Partnerschaft passieren. Der Preis für das Coming out kann vielleicht das Ende der Beziehung sein, aber es nicht mitzuteilen, IST das Ende der Beziehung. In einer echten und ehrlichen (also einer gesunden) Beziehung muss über diese Dinge gesprochen werden. Jemandem, der dich wegen eines Interesses verlässt, das niemandem schadet, nur weil du Windeln trägst oder kindliche Gegenstände magst, kannst du auch nicht vertrauen, dass er/sie bereit ist, dir für den Rest deines Lebens zur Seite zu stehen.

Zusammenfassung

Diese Punkte sollten dir helfen, Klarheit zu finden, ob du dich anderen mitteilen willst. Beachte jedoch, dass es keine Veranlassung gibt, es irgendjemandem zu sagen, und du keinen Druck verspüren solltest, es zu tun — außer in dem einen Fall, dass du dein Leben mit dem eines anderen verbindest, so wie in Liebesbeziehungen, die ernsthaft werden. Deine Freunde erzählen dir nichts von ihren Masturbationsgewohnheiten oder über wen sie sexuelle Fantasien haben, und ebensowenig musst du ihnen mitteilen, was dir sexuelle oder emotionale Befriedigung verschafft.

In diesem Artikel habe ich Grundsätze für das Coming out in drei Arten von Beziehungen besprochen: mit Freunden, mit Familie, und in Liebesbeziehungen. Zusammengefasst ist zu sagen, dass ein Coming out mit Freunden und Familie weder notwendig noch empfehlenswert ist und diesbezügliche Entscheidungen von Fall zu Fall getroffen werden sollten; in Liebesbeziehungen ist es jedoch unbedingt notwendig, und zwar wenn absehbar ist, dass die Beziehung ernsthaft wird, aber noch bevor sie ernsthaft geworden ist.

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